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Akteneinsicht in kartellrechtliche Kronzeugenanträge jetzt möglich

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am vergangenen Dienstag entschieden, dass das europäische Recht kartellgeschädigten Unternehmen nicht versagt, Einsicht in Ermittlungsakten des Bundeskartellamts einschließlich der Kronzeugenanträge und der beigefügten Unterlagen zu nehmen (Az.: C-360/09).

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Den genauen Umfang des Akteneinsichtsrechts müsse der jeweilige nationale Richter bestimmen. Ausgangspunkt des Verfahrens war der Antrag der Pfleiderer AG auf gerichtliche Entscheidung durch das Amtsgericht Bonn. Rechtlich vertreten wurde das Unternehmen dabei von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mit Partner Thomas Kapp. Das Urteil ist Sprengstoff für das Bundeskartellamt: Sollte das Amtsgericht Bonn, das den EuGH in dieser Sache angerufen hatte, bei seiner bisherigen Auffassung bleiben, kommt die Kronzeugenregelung des Bundeskartellamts (sog. „Bonusregelung“) ins Wanken.

Vorausgegangen war dem Antrag von Pfleiderer ein im Januar 2008 durch das Bundeskartellamt verhängtes Bußgeld wegen Preis- und Kapazitätsstilllegungsabsprachen in Höhe von insgesamt 62 Mio. Euro gegen die drei größten europäischen Dekorpapierhersteller (Munskjö, Arjo Wiggins und Felix Schoeller Holding). Die Kartellabsprachen der Dekorpapierhersteller schädigten vermutlich unter anderem auch den Pfleiderer-Konzern, der daher Ende 2008 zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage Einsicht in die Ermittlungsakten des Bundeskartellamts beantragte. Diese wurde ihr mit Hinweis auf die Bonusregelung des Amtes jedoch verwehrt. Daraufhin stellte Pfleiderer Antrag auf rechtliche Entscheidung. Das zuständige Amtsgericht Bonn wollte zwar eine vollständige Akteneinsicht (unter Einschluss der Kronzeugenanträge) gewähren. Da jedoch Zweifel bestanden, ob dies mit europäischem Recht in Einklang steht, legte es die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Mit der jetzt getroffenen Entscheidung hat der EuGH grünes Licht für die vollständige Akteneinsicht im Sinne des Amtsgerichts Bonn gegeben, allerdings mit der vermittelnden Einschränkung, dass der nationale Richter eine Abwägung zwischen den unionsrechtlich geschützten Interessen treffen muss. Sofern das Amtsgericht Bonn nicht von seiner ursprünglichen Auffassung abweichen wird, kann Pfleiderer daher in Kürze Einsicht in die vollständigen Ermittlungsakten nehmen.

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