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Aktuelle Reformvorhaben im Insolvenzrecht

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Ein langjähriges Reformvorhaben hat durch die Finanzkrise neue Aufmerksamkeit erhalten: die Insolvenzreform. Diese will die Fortführung sanierungsfähiger Unternehmen erleichtern und wenn möglich Arbeitsplätze erhalten. Dies erhofft man durch einen stärkeren Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenz-verwalters, durch Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrens sowie durch die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung und eine stärkere Konzentration auf örtliche Insolvenzgerichte zu erreichen. Ferdinand Kießner, Leiter der Insolvenzverwaltung bei Schultze & Braun, gibt einen aktuellen Überblick.

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Zukünftig soll das Insolvenzgericht bereits bei der Auswahl eines vorläufigen Insolvenzverwalters den wesentlichen Gläubigern Gelegenheit zur Äußerung geben. Mit dem Eigenantrag der Geschäftsleitung soll daher für das Gericht eine Liste der wesentlichen Gläubiger und deren Forderungen beigefügt werden. Wird der Antrag allerdings von einem Gläubiger gestellt, trifft ihn diese Verpflichtung nicht, die er in der Regel ohnehin nicht erfüllen könnte. Wie das Insolvenzgericht dann bei der Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters die wesentlichen Gläubiger einbeziehen soll, bleibt im Entwurf ungeregelt. Der Gesetzentwurf sieht weiterhin die Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses bereits im Eröffnungsverfahren vor. Dieses Gremium soll nach der Idee des Gesetzgebers bereits installiert werden, bevor das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter auswählt, um den Gläubigern Einflussmöglichkeiten auf die Auswahl zu schaffen. Auch hier überwiegen allerdings die praktischen Schwierigkeiten in einer Phase, in der schnelle Entscheidungen durch das Insolvenzgericht getroffen werden müssen, um eine Fortführung des insolventen Unternehmens nicht zu gefährden.

Der Entwurf stellt weiterhin eine Lockerung des sog. Vorbefassungsverbots in Aussicht. Bisher haben die Insolvenzgerichte in der Regel Insolvenzverwalter nicht bestellt, die vor Einleitung des Verfahrens bereits für den Schuldner oder einen wesentlichen Gläubiger tätig gewesen sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll zukünftig ein Insolvenzverwalter von der Übernahme des Amtes nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil er vor dem Eröffnungsantrag für den Schuldner tätig geworden ist, ohne dabei auf die Geschäftsführung Einfluss genommen zu haben.

Insolvenzplan

Das maßgebliche Sanierungsinstrument der Insolvenzordnung, der dem Chapter 11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code nachgebildete Insolvenzplan, wird derzeit lediglich in etwa 2% der Unternehmensinsolvenzverfahren angewandt. Der Gesetzentwurf ermöglicht es nun, mit einem Insolvenzplan auch in Gesellschafterrechte eingreifen zu können. Damit soll auch in Deutschland der Debt-Equity-Swap ermöglicht werden. Durch die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital sollen die Sanierungschancen in Schieflage geratener Unternehmen erhöht werden. Für die Gläubiger soll die Umwandlung ihrer Forderungen in Anteile den Vorteil bieten, dass sie an künftigen Erträgen des sanierten Unternehmens beteiligt sind und über dessen künftige Aktivitäten mitbestimmen können. Zudem soll der Plan künftig Ausgleichszahlungen vorsehen können, die eine Schlechterstellung eines Beteiligten ausgleichen. In diesem Fall soll für diesen Beteiligten kein Grund mehr bestehen, die Bestätigung des Plans durch ein Rechtsmittel anzugreifen.

Eigenverwaltung

Um den Zugang zum Insolvenzverfahren für Geschäftsführer zu erleichtern, soll das Institut der Eigenverwaltung gestärkt werden. Der Entwurf sieht vor, die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung maßvoll zu lockern. Ein wesentliches Hemmnis für einen frühzeitigen Insolvenzantrag liegt nämlich nach Ansicht vieler Kritiker darin, dass der Schuldner befürchtet, durch die Machtfülle des Insolvenzverwalters von allen Entscheidungen ausgeschlossen zu sein. Schließlich wurde die Möglichkeit geschaffen, bei frühzeitiger Antragstellung unter der Sicherheit eines dreimonatigen „Schutzschirms“ in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. In diesem Verfahrensabschnitt soll ein vorläufiger Sachwalter den Schuldner unterstützen, die Auswahl des Sachwalters soll auf Vorschlag des Schuldners erfolgen können.

Zuständigkeit der Insolvenzgerichte

Schließlich will der Gesetzgeber die Zahl der derzeit noch mehr als 180 Insolvenzgerichte in Deutschland drastisch verkleinern. Damit soll erreicht werden, dass sich hauptberufliche Insolvenzrichter und Rechtspfleger mit der komplexen Materie befassen und sachgerecht entscheiden können. Die Insolvenzordnung als Bundesgesetz kann allerdings nur eine Ermächtigung der Landesregierungen enthalten, die Zuständigkeiten bei weniger Gerichten zu konzentrieren. Es bleibt abzuwarten, ob hiervon zukünftig tatsächlich stärker Gebrauch gemacht wird als in der Vergangenheit.

Das Bundesjustizministerium hatte bereits Anfang September einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der noch vor Weihnachten durch das Bundeskabinett hätte verabschiedet werden sollen, um Mitte 2011 in Kraft treten zu können. Offensichtlich hat sich die Entscheidung des Kabinetts allerdings verzögert, so dass sich auch der Zeitplan im übrigen verschieben dürfte. Ob eine Verabschiedung des in Teilen nicht unumstrittenen Entwurfs in 2011 überhaupt erfolgen wird, erscheint aus heutiger Sicht nicht mehr gesichert.

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