Auslese im Freiverkehr der Frankfurter Börse?
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Emittenten haben an der FWB die Wahl zwischen den regulierten Marktsegmenten (General Standard und Prime Standard) sowie den börsenregulierten Freiverkehrssegmenten (Open Market mit Entry Standard, FQB und Second Quotation Board). Dabei werden diejenigen Wertpapiere in das FQB aufgenommen, die noch nicht zum Handel an einem von der Deutschen Börse anerkannten in- oder ausländischen börsenmäßigen Handelsplatz zugelassen sind. Für den Zugang zum Freiverkehr besteht grundsätzlich keine Prospektpflicht (Ausnahme: öffentliches Angebot) und es existieren bislang keinerlei Transparenzvorschriften für das FQB. Derzeit notieren ca. 540 Aktien bzw. Aktien vertretende Zertifikate im FQB. Zukünftig können jedoch nur noch Wertpapiere dort einbezogen werden, sofern ein Wertpapierprospekt erstellt wurde oder die folgenden Mindestanforderungen erfüllt werden:
- Der Nachweis durch einen zugelassenen Wirtschaftsprüfer, dass das Eigenkapital des Emittenten zu einem Stichtag, der nicht länger als zwei Monate vor der entsprechenden Antragstellung liegen darf, mindestens 500 000 Euro beträgt.
- Der Nachweis, dass die einzubeziehenden Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikate einen Mindest(nenn)wert in Höhe von 0,1 Euro oder umgerechnet einen entsprechenden Wert in einer anderen Währung aufweisen.
Darüber hinaus wird in dem Rundschreiben 01/11 darauf hingewiesen, dass eine Kündigung der Einbeziehung von bereits in das FQB einbezogenen Wertpapieren vorgesehen ist, sofern nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums nachgewiesen wird, dass entweder bei der Einbeziehung oder während der Einbeziehung ein Prospekt erstellt wurde oder die oben genannten Mindestvoraussetzungen nachgewiesen werden. Ziel dieser Verschärfung ist es, „zweifelhafte“ Geschäftsmodelle, die häufig über ausländische Gesellschaftskonstruktionen
erfolgen, im FQB zu unterbinden bzw. zu erschweren.
Rechtliche Hintergründe
Im Gegensatz zum Regulierten Markt ist der Open Market ein privatrechtliches Segment, das eine Börse nach § 48 Börsengesetz zulassen kann, wenn die Wertpapiere nicht im Regulierten
Markt zugelassen oder einbezogen sind und eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleistet erscheint. Die nunmehr geänderten AGBs regeln die Organisation des Handels, die Teilnahme am Handel sowie die Einbeziehung von Wertpapieren in den Handel. Allerdings regeln sie „nur“ die Geschäftsbeziehung zwischen der Deutschen Börse (als Trägerin des Freiverkehrs) und den „Teilnehmern“. Dies sind die Unternehmen und Börsenhändler, die zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassen sind. Die Emittenten der betreffenden Wertpapiere stehen demnach gerade nicht in einer Rechtsbeziehung zur FWB bzw. der Deutschen Börse und haben keinen Anspruch auf Einbeziehung bzw. Aufrechterhaltung der Einbeziehung.
Um dem angedrohten „Delisting“ zu entgehen, werden diese nunmehr versuchen, die Einbeziehungsvoraussetzungen zu erfüllen oder aber einen Wertpapierprospekt erstellen, was erfahrungsgemäß mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts knüpft grundsätzlich an das Vorliegen eines öffentlichen Angebots bzw. der Zulassung der entsprechenden Wertpapiere zu einem regulierten Marktsegment an. Da der Freiverkehr kein reguliertes Marktsegment ist und kein öffentliches Angebot im eigentlichen Sinne vorliegt, muss der Tatbestand eines öffentlichen Angebots fingiert werden, um überhaupt einen Wertpapierprospekt erstellen zu können. Die Fragestellung, wann ein öffentliches Angebot für Freiverkehrswerte vorliegt, ist in Deutschland seit Jahren umstritten. Es fällt auf, dass andere Börsen für ihre Freiverkehrssegmente einen anderen Lösungsweg gefunden haben. So ist bspw. für AIM und AIM Italia (London Stock Exchange) sowie für Alternext (Euronext/NYSE) ein „Admission Document“ zu erstellen, welches zwar inhaltlich teilweise den Vorgaben der EU-Prospektverordnung angenähert ist, aber gerade kein formaler Wertpapierprospekt ist. Der Haftungsmaßstab (auch einfache Fahrlässigkeit) und Adressatenkreis (unter Umständen auch der Emissionsbegleiter) der zivilrechtlichen Prospekthaftung sind jedoch gewichtige Hindernisse für die Einführung eines derartigen prospektähnlichen Dokuments in Deutschland.
Fazit
Die Initiative der Deutschen Börse zur Eindämmung „zweifelhafter“ Geschäftsmodelle im Freiverkehr ist begrüßenswert. Bei einer stringenten juristischen Betrachtungsweise der Thematik wird jedoch leider offensichtlich, dass die uneinheitliche Auslegung und Rechtslage zu Kernthemen des Kapitalmarktrechts in Europa, nämlich der Prospekthaftung und des Begriffs des öffentlichen Angebots, nach wie vor eine echte Herausforderung für die Marktteilnehmer darstellen.
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