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Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen

Am 4. Juni 2016 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft getreten. Das Gesetz stellt Zuwendungen für die Verschreibung von Medikamenten oder Medizinprodukten oder die Zuführung von Patienten unter Strafe. Die neuen Straftatbestände erfassen vielfach Zuwendungen, die in der Vergangenheit strafrechtlich keine Rolle spielten oder in der Verfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften keine Beachtung fanden. Einen Überblick über die wichtigsten Aspekte des neuen Gesetzes geben Jürgen Taschke und Daniel Zapf, beide Rechtsanwälte bei DLA Piper UK LLP in Frankfurt.

Die beschlossene Neuregelung ist das Ergebnis eines Diskussionsprozesses, der maßgeblich durch den Beschluss des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 beeinflusst wurde. In dieser Entscheidung verneinte der Große Senat die Frage, ob Zuwendungen an niedergelassene Ärzte unter die geltenden Korruptionsdelikte fallen. Er merkte jedoch an, dass es ein berechtigtes Anliegen sei, Missständen, die allem Anschein nach starke Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Maßgebliche Intention des Gesetzgebers bei der Implementierung der neuen Straftatbestände §§ 299 a, 299 b StGB war es nunmehr, diese (vermeintliche) Strafbarkeitslücke zu schließen.

Zum Kreis potentieller Täter gehören auf Nehmerseite akademische und nichtakademische Angehörige von Heilberufen (insbesondere Ärzte) sowie auf Geberseite vor allem Pharmaunternehmen, Medizinprodukthersteller und Kliniken. Die für den erforderlichen Zusammenhang zwischen Vorteilsannahme und Bevorzugung notwendige Unrechtsvereinbarung kann in der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder dessen Berufshelfer bestimmt sind, oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial liegen. Die neu geschaffenen Delikte werden von Amts wegen verfolgt und sehen eine Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe und in besonders schweren Fällen von bis zu fünf Jahren vor. Zudem soll der Informationsaustausch von Kassenärztlicher Bundesvereinigung bzw. dem GKV-Spitzenverband mit den berufsständischen Kammern und der Staatsanwaltschaft intensiviert werden.

Es ist damit zu rechnen, dass die Durchführung von Anwendungsbeobachtungen oder von Studien verstärkt daraufhin geprüft werden, ob legitime Produktsicherheits- oder Forschungsinteressen gegeben sind. Kritisch werden Staatsanwälte in der Zukunft prüfen, wenn Pharmaunternehmen oder Medizinproduktehersteller allgemeine Praxiskosten eines Arztes übernehmen, etwa Anschaffungskosten für medizinische Geräte oder Entsorgungskosten. Auch Rabattgewährungen, etwa in Form von Naturalrabatten oder sonstigen Vergünstigen oder Zusatzleistungen, können Anlass zu vertiefter Prüfung geben. Darüber hinaus muss damit gerechnet werden, dass die Staatsanwaltschaften die Zusammenarbeit von Kliniken und Ärzten auf ihre Vereinbarkeit mit den neuen rechtlichen Vorgaben hin überprüfen werden. Zahlungen, die ein Arzt oder eine Klinik (indirekt) für die Überweisung von Patienten leistet, könnten unter dem neuen Recht nicht mehr zulässig sein. Nicht mehr zulässig sein dürfte auch die kolportierte Praxis, dass Dienstleister im medizinischen Sektor, etwa Hörgeräteakustiker, Physiotherapeuten und Reha-Häuser, die Zuführung von Patienten durch einen Arzt honorieren. Bei Zuwendungen an im Ausland praktizierende Ärzte, z.B. Ärzte an ausländischen Universitätsklinken, besteht ein zusätzliches Strafbarkeitsrisiko vor dem Hintergrund der im November 2015 in Kraft getretenen erweiterten Strafbarkeit der Auslandsbestechung. Kooperationsformen mit ausländischen Kliniken und Ärzten, die bisher rechtlich nicht beanstandet werden konnten, können nach den neuen Vorschriften zur Bekämpfung der Auslandskorruption jenseits der roten Linie angesiedelt sein.

Das neue Gesetz wird auch steuerlich eine große Bedeutung erlangen. Im Rahmen steuerlicher Prüfungen werden die Finanzbehörden bewerten, ob Aufwendungen und Leistungen an Ärzte als abzugsfähige Betriebsausgaben eingestuft werden können oder ob sie den steuerlichen Abzugsverboten unterfallen, etwa weil damit Korruptionstatbestände verwirklicht sind. Bei Verdachtsmomenten, dass es zu Korruptionsstraftaten gekommen sein könnte, haben die Finanzbehörden auch die Staatsanwaltschaften zu unterrichten. Die neuen Strafvorschriften bilden vorerst den Schlusspunkt einer langen Entwicklung der strafrechtlichen Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen, die Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mit den Ermittlungen im „Herzklappenskandal““ begann und seitdem mehrfach zu rechtlichen Verschärfung und neuen Ermittlungsverfahren führte. Das (Korruptions-) Strafrecht erfasst nunmehr fast alle medizinischen Bereiche.

Erklärtermaßen rechnen die Staatsanwaltschaften mit der Einleitung von Ermittlungsverfahren, die zum Ziel haben, die vielen offenen Detailfragen einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Bis dahin wird geraume Zeit vergehen. Für Ärzte, Kliniken, pharmazeutische Unternehmen und Medizinproduktehersteller empfiehlt sich eine sorgfältige Risikoanalyse, in welchen Bereichen die neuen Straftatbestände Bedeutung erlangen könnten und welche Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen werden könnten.

 

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