Biotechnologie braucht verlässliche Rechtsgrundlagen
„
Aus den Medien gewinnt man schnell den Eindruck, dass sich die Biotechnologie fast ausschließlich mit der Entwicklung von gentechnisch modifizierten Tomaten, Paprika, u. a. befasst. Diese Innovationen betreffen ausschließlich die so genannte grüne Biotechnologie. Insbesondere in Deutschland ist diese wegen der politischen Widerstände wirtschaftlich unbedeutend. Wichtiger sind die sich mit pharmazeutischen und medizintechnischen Innovationen befassende rote Biotechnologie und zunehmend die sich mit technischen Anwendungen befassende weiße Biotechnologie. Schwerpunkte liegen in der Ersetzung begrenzter Ressourcen wie fossiler Brennstoffe durch die gentechnische Herstellung von Grundmaterialien, z. B. Polymere, sowie in der Entwicklung neuer Materialien für spezialisierte technische Anwendungen. Innovationen in diesem Bereich bilden eine entscheidende Schlüsseltechnologie für den Erfolg deutscher Unternehmen in einem und globalen Umfeld, das durch begrenzte Ressourcen gekennzeichnet ist.
Überlebensfähigkeit sichern
Kleine und mittlere biotechnologische Unternehmen verfügen zumeist nur über die beiden Assets „Patents and People“. Ohne werthaltige Patente ist die Wettbewerbssituation solcher Unternehmen nicht gesichert. Die Finanzierung solcher Unternehmen in der Aufbauphase baut entscheidend auf der durch Patente gesicherten Technologie auf. Ein Know-how-Schutz kommt nur für solche technischen Lehren in Betracht, die nicht bereits durch die öffentliche Verbreitung von Produkten oder Verfahren offenkundig werden. Zudem ist der Know-how-Schutz stets der Gefahr des Geheimnisverrates ausgesetzt, der zur endgültigen Vernichtung von Know-how führt. Die gerichtliche Durchsetzung von Know-how bildet in Jurisdiktionen, ohne strenge Vertraulichkeit ein zweischneidiges Schwert, erfordert sie doch die genaue Beschreibung und damit Offenlegung von Informationen, die der Kläger gerade vertraulich halten will. Ein patentrechtlicher Schutz wichtiger Innovationen muss deshalb den Kern der Werthaltigkeit von biotechnologischen Unternehmen abdecken. Auch die Möglichkeit, leistungsstarke Kooperationspartner für die eigenen Innovationen zu finden, hängt entscheidend von einem starken patentrechtlichen Schutz ab. Nur, wenn der Kooperationspartner für die eigenen hohen und langfristigen Investitionen in diese Technologie eine zuverlässig abgesicherte Wettbewerbsposition erwarten darf, wird er überhaupt solche Kooperationen eingehen. Für kleine und mittlere biotechnologische Unternehmen bildet die Möglichkeit, die eigenen Innovationen an solche größeren Unternehmen auslizenzieren zu können, eine lebensnotwendige Quelle der Finanzierung. Die mühevolle Verabschiedung und Umsetzung der EU-Biotechnologierichtlinie und die ausgewogene Rechtsprechung des Europäischen Patentamtes (EPA) haben in Europa den für Investitionsentscheidungen zwingend notwendigen zuverlässigen rechtlichen Rahmen geschaffen. Ohne diesen würde es viele biotechnologische Unternehmen in Deutschland nicht geben. Der deutsche Gesetzgeber hat es demgegenüber wiederholt vorgezogen, durch strengere nationale patentrechtliche Regelungen die rechtlichen Voraussetzungen der Biotechnologie in Deutschland zu gefährden. So wurde bei der Umsetzung der EU- Biotechnologierichtlinie in § 1a IV PatG das Erfordernis der Aufnahme der offenbarten Funktion einer Gensequenz in den Anspruch eingefügt. Da dies vom Europäischen Patenübereinkommen nicht verlangt wird, gibt es als Folge kaum mehr nationale biotechnologische Patentanmeldungen.
Patente sind unverzichtbare Grundlage
Ähnlich motiviert wurde im August 2013 in § 2a II PatG eine Bestimmung eingeführt, dass Tiere und Pflanzen, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, nicht patentfähig sind. Durch diese Gesetzgebung sollte dem EPA für die anhängigen Verfahren Tomate II und Brokkoli II das Petitum einer engen Eingrenzung der Patentierbarkeit übermittelt werden. Hieraus spricht eine bedenkliche negative Grundeinstellung des deutschen Gesetzgebers. Patente werden nicht mehr als unverzichtbare Grundlage für innovative Unternehmen wahrgenommen. Populistischen Strömungen folgend, unterlässt es der Deutsche Bundestag, die erforderliche sorgfältige Abklärung der Folgen der vorgeschlagenen Regelungen vorzunehmen. Das im Patentrecht kompetente Justizministerium wird kaum einbezogen. Die Auswahl so genannter Sachverständiger in Anhörungen des Rechtsausschusses auf dem Gebiet des Patentrechts ist politisch präjudiziell und oft nicht durch Erfahrung belegt. Der neue Deutsche Bundestag sollte die Notwendigkeit eines starken patentrechtlichen Schutzes für biotechnologische Unternehmen in Deutschland bei seinen Entscheidungen beachten. Begabte Forscher im Bereich der Biotechnologie sind in aller Welt begehrt. Viele der ersten grundlegenden biotechnologischen Erfindungen wurden von deutschen Forschern gemacht, in den USA.
„