Allgemein

Das Bundeskartellamt und Big Data

Die Überraschung ist dem Bundeskartellamt gelungen. Erstmals stützt eine Kartellbehörde ihre Ermittlungen auf mögliche Datenschutzverstöße, die auf einer marktbeherrschenden Stellung beruhen. Die Verfahrenseinleitung gegen Facebook hat im In- und Ausland ein breites Echo ausgelöst und zeigt, dass die Digitalökonomie und der wettbewerbspolitische Umgang mit Nutzerdaten verstärkt in den Fokus der Kartellbehörden rückt. Das Bundeskartellamt scheut dabei nicht davor zurück, sich auf unbekanntes Terrain vorzuwagen, erklären Silvio Cappellari und Stephanie Birmanns von der Kanzlei SZA Schilling, Zutt und Anschütz.

Datenschutzverstoß als Marktmachtmissbrauch

Entgegen dem ersten Eindruck will das Bundeskartellamt nicht in die Rolle einer Datenschutzbehörde schlüpfen. Das Verfahren gegen Facebook beruht auf dem Verdacht des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Derartigen Missbrauch zu ahnden, gehört zu den Kernaufgaben einer Wettbewerbsbehörde. Die Besonderheit der Causa Facebook liegt darin, dass der Missbrauch in einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften bestehen soll.

Nun verletzt nicht jeder Verstoß gegen das Datenschutzrecht automatisch auch das Kartellrecht. Der notwendige Zusammenhang könnte jedoch dann vorliegen, wenn der Verstoß auf einer marktbeherrschenden Stellung beruht. Diese Frage wird im Zentrum der Untersuchung des Bundeskartellamts stehen. Konkret geht es um Facebooks AGBs betreffend die Gewinnung und Verwendung von Nutzerdaten und den Umfang der diesbezüglichen Einwilligung durch die Nutzer. Das Bundeskartellamt prüft, ob diese Nutzungsbedingungen sich nur auf Grund einer marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem Markt für soziale Netzwerke durchsetzen lassen. Damit könnte ein sogenannter Konditionenmissbrauch vorliegen, also eine Verwendung von Geschäftsbedingungen, die bei wirksamem Wettbewerb nicht durchsetzbar wären. Dieser Ansatz ist aus dogmatischer Sicht wohl vertretbar. Der Fall wirft aber die Frage auf, ob es rechtspolitisch wünschenswert ist, das Datenschutzrecht als Einfallstor für kartellrechtliche Sanktionen zu nutzen oder ob nicht eine Stärkung der datenschutzrechtlichen Instrumentarien sinnvoller wäre.

Onlinedienste im Fokus der Wettbewerbsbehörden

Vorerst scheint das Bundeskartellamt jedoch entschlossen, die Kartellrechtsanwendung im Bereich der digitalen Märkte zu prägen. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Amt eine Vorreiterrolle bei der Beurteilung neuer Fragestellungen übernimmt. Auch mit Blick auf mutmaßliche Beschränkungen des Onlinehandels durch Markenartikelhersteller wie Asics oder Adidas und Meistbegünstigungsklauseln von Hotelbuchungsportalen wie HRS und Booking.com schritt das Amt voran – nun auch mit eigener Task Force Internetplattformen.

Selbstverständlich bleiben auch die übrigen europäischen Wettbewerbsbehörden nicht untätig. Die Erschließung kartellrechtlichen Neulands im Bereich der Online-Dienstleistungen birgt jedoch die Gefahr divergierender Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden innerhalb der EU. So sind zu den Hotelbuchungsportalen deutlich abweichende Entscheidungen diverser nationaler Wettbewerbshüter ergangen. Das Bundeskartellamt verfolgte in diesem Zusammenhang bezeichnenderweise die restriktivste Entscheidungspraxis. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, da das europäische Kartellrecht eigentlich einen einheitlichen rechtlichen Rahmen insbesondere für naturgemäß grenzüberschreitende Aktivitäten schaffen soll.

Ein stärkeres Hinwirken der EU-Kommission, die etwa im Fall Google und durch die umfassende Sektoruntersuchung zum E-Commerce selbst wichtige Beiträge zur kartellrechtlichen Praxis im Bereich Digitalökonomie leistet, auf eine einheitliche Anwendungspraxis ist daher wünschenswert. Die Bemerkung der europäischen Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die Auslegung des europäischen Kartellrechts im Facebook-Verfahren sei auch für die Rechtsanwendungspraxis außerhalb Deutschlands von Bedeutung, lässt sich als Appell in diese Richtung interpretieren.

Umgang mit Big Data

Daneben beschäftigt die im Netz europäischer Wettbewerbsbehörden zusammengeschlossenen Kartellwächter zunehmend auch die Frage nach der richtigen kartellrechtlichen Bewertung von Nutzerdaten. Nutzerdaten spielen eine zentrale Rolle bei werbefinanzierten Online-Dienstleistungen. Neben den auch für das Facebook-Verfahren relevanten Fragen, inwieweit Nutzerzahlen und -daten für die Bestimmung von Marktmacht herangezogen werden können, werden auch die Aufgreifschwellen der präventiven Fusionskontrolle hinterfragt. Bislang beurteilt sich die Anmeldepflichtigkeit einer Transaktion primär nach den Umsätzen der Beteiligten. Insoweit könnte aber eine Schutzlücke auf dynamischen Internetmärkten bestehen. Ein anschauliches Beispiel ist der Erwerb von WhatsApp durch Facebook, der trotz des Kaufpreises von rund 19 Milliarden US-Dollar um ein Haar einer umfassenden fusionsrechtlichen Kontrolle entgangen wäre, weil die Umsatzerlöse von WhatsApp gering waren. Daher gibt es sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene Überlegungen, künftig auch das Transaktionsvolumen als Aufgreifkriterium beim Schwellenwert der Fusionskontrolle zu berücksichtigen.

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