Das neue Erbschaftsteuergesetz
Übergang zwischen den Generationen
Der deutsche Mittelstand, auf Grund dessen es u. a. Deutschland besonders gut geht, hat vielfach klare Vorstellungen über die Kontinuität der Eigentümerstruktur. Diese häufig dynastischen Prinzipien erlauben langfristig angelegtes strategisches Verhalten, erfordern aber, dass das Erbschaftsteuerrecht den Übergang zwischen den Generationen nur allenfalls sehr mäßig belastet, wie es auf Grund der bisherigen Verschonungsregelungen darstellbar war. Andere Länder wie Großbritannien haben u. a. wegen der Erbschaftsteuer den Mittelstand zum Verkauf von Unternehmen getrieben. Die Konsequenz waren Börsengänge und daraus folgend analystenorientiertes kurzfristiges Entscheidungsverhalten. Solche Gesellschaften waren dann den deutschen mittelständisch geführten Unternehmen häufig unterlegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2014 manche Regelungen des bisherigen Erbschaftsteuergesetzes als verfassungswidrig angesehen. Allerdings ist die grundsätzliche Verschonungsmöglichkeit von unternehmerischem Vermögen u. a. im Hinblick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen als verfassungsgemäß beurteilt worden. Bei sehr großen Erwerben freilich erwartete das Bundesverfassungsgericht auf Grund des Gleichheitssatzes für die Verschonung eine Bedürfnisprüfung. Insofern tritt der Umverteilungsgedanke gegenüber dem Unternehmenserhaltungsgedanken in den Vordergrund. Das neue Recht soll rückwirkend ab 1. Juli 2016 gelten, was – wegen der Rückwirkung – verfassungsrechtlich bedenklich ist.
Verschonung neu geregelt
Die Definition des so genannten begünstigungsfähigen Vermögens bleibt gleich. Dazu gehören u. a. inländisches Betriebsvermögen einschließlich Mitunternehmeranteile und Anteile an Kapitalgesellschaften, Letztere bei einer unmittelbaren Beteiligungsquote von 25% oder einer qualifizierenden Poolregelung der Gesellschafter. Das begünstigungsfähige Vermögen wird nunmehr durch Abzug des so genannten Verwaltungsvermögens auf das so genannte begünstigte Vermögen gekürzt. Anders als bei der bisherigen Alles-oder-Nichts-Regelung führt der generelle Abzug des Verwaltungsvermögens bis auf einen Freibetrag von 10% zur Kürzung des begünstigungsfähigen Vermögens. Einzelregelungen gibt es u. a. zu Finanzmitteln, Altersversorgungsvermögen und zur Schuldenverrechnung sowie zu „jungen“ Finanzmitteln und „jungem“ Verwaltungsvermögen. Bei Gesellschaften mit satzungsmäßiger Beschränkung von Entnahmen oder Ausschüttungen, bei Verfügungsmöglichkeiten nur im Kreis der Angehörigen oder zu Gunsten einer Familienstiftung und bei einer Abfindungsklausel, die nur einen Wert unterhalb des gemeinen Werts der Beteiligung vergütet, wird in Höhe des vereinbarten Wertabschlags bei der Abfindungsklausel, aber maximal in Höhe von 30%, ein weiterer Abschlag auf das begünstigte Vermögen eingeräumt. Diese Regelung muss bereits zwei Jahre vor der Steuerentstehung bestanden haben und für einen Zeitraum von 20(!) Jahren weitergelten, sonst fällt rückwirkend diese Vergünstigung weg. Verschonung gibt es nur bei Erhalt einer Mindestlohnsumme für eine bestimmte Anzahl von Jahren. Diese Regelung ist für kleine Unternehmen verschärft worden. Die Verschonung beträgt wie bisher 85% oder auf Antrag, wenn das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20% aus Verwaltungsvermögen besteht, 100% mit dann verschärften lohnsummensteuerlichen Auflagen.
Wo die Grenzen sind
Die Verschonung hat aber ihre Grenze bei einem Erwerb von begünstigtem Vermögen von über 26 Mio. Euro. Es findet dann eine Abschmelzregelung statt (1% Abschmelzung für 0.75 Mio. Euro überschießenden Betrag). Bei begünstigtem Vermögen von 90 Mio. Euro läuft die Abschmelzung generell aus. Statt der Abschmelzung, oder wenn diese nicht mehr verfügbar ist, kann der Steuerpflichtige Erlass der Steuer auf das begünstigte Vermögen beantragen. Dazu muss er dartun, dass die Steuer auf das begünstigte Vermögen nicht aus 50% der Summe des mit der Erbschaft oder Schenkung übergegangenen nicht begünstigten Vermögens und des dem Erwerber im Zeitpunkt der Erbschaft oder Schenkung ansonsten gehörenden Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen gehören würde, beglichen werden kann. Hinsichtlich des nicht abgedeckten Betrages erhält er dann einen Erlass. Daneben bleibt die Möglichkeit der Stundung der Steuer auf begünstigtes Vermögen für maximal sieben Jahre, wobei der erste Jahresbetrag ein Jahr nach Festsetzung zu zahlen ist. Für das erste Jahr wird auf die Verzinsung verzichtet. Danach greift die gesetzliche Verzinsung von 6%.
Droht der Wegzug ins Ausland?
Genauso wie man das bisherige Recht für verfassungswidrig halten konnte, kann man auch das neue Recht verfassungsrechtlich in Zweifel ziehen. Die Gerichte werden aber erst einmal Erfahrung mit dem neuen Recht sammeln wollen. Man sollte daher zunächst keine Erleichterung vom Bundesverfassungsgericht erwarten. Durch die neue Abschmelzklausel mit Strukturerhaltungspflicht für 20 Jahre werden unternehmerisch notwendige Veränderungen künstlich unterbunden. Warum der Schutz von Arbeitsplätzen bei begünstigtem Vermögen bis 26 Mio. Euro begünstigt wird und ab 90 Mio Euro überhaupt nicht mehr, kann nur mit Umverteilungsargumenten begründet werden. Das eigentliche Problem, die viel zu hohen Steuersätze, wurde bei der Erbschaftssteuerreform aber nicht angegangen. Die häufig geforderte „flat-tax“ von 5 % gibt es nicht. Gestaltungsvorschläge werden jetzt sein: angepasste gesellschaftsvertragliche Regelungen, Vermögenszuordnungen in der Familie, Stiftungslösungen, Verkauf von Unternehmen sowie auch Wegzug in Länder ohne Erbschaftsteuer.