Allgemein

Delisting nur noch bei Erwerbsangebot

"

 

Ein vollständiges Delisting setzt neuerdings ein gleichzeitiges Erwerbsangebot voraus, nicht aber einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss. Eine Überprüfung der Abfindungshöhe in einem Spruchverfahren findet nicht statt. Das Angebot muss auf den Erwerb aller Aktien gerichtet sein, Teilangebote sind ausgeschlossen. Zudem darf das Angebot keine Bedingungen enthalten (§ 39 Abs. 3 Satz 1 BörsG), außer gesetzlich zwingend vorgeschriebenen, wie bspw. die fusionskontrollrechtliche Freigabe, erläutert Thomas Stohlmeier von Clifford Chance in Düsseldorf. Das Gesetz tritt voraussichtlich in der 47. Kalenderwoche in Kraft.

 

"

Ein vollständiges Delisting setzt neuerdings ein gleichzeitiges Erwerbsangebot voraus, nicht aber einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss. Eine Überprüfung der Abfindungshöhe in einem Spruchverfahren findet nicht statt. Der Gesetzgeber hat einen Zustand beendet, den der Bundesgerichtshof (BGH) 2013 mit seiner teilweise scharf kritisierten Frosta-Entscheidung herbeigeführt hatte. Nach Frosta konnten Emittenten börsennotierter Aktien ohne Mitwirkung ihrer Hauptversammlung und ohne Abfindungsangebot spontan den teilweisen oder gar vollständigen Widerruf ihrer Börsenzulassung betreiben. Dies bewirkte oftmals ein Kursverfall der betroffenen Aktien, denn die Aussicht, diese alsbald nicht mehr an einem liquiden regulierten Markt handeln zu können, löste vielfach einen Verkaufsdruck und somit fallende Kurse aus.

Kein Anlegerschutz durch börsenrechtliche Regelung

Die vom BGH im Jahre 2002 formulierten Macrotron-Grundsätze des BGH verlangten für ein Delisting noch einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss und ein Erwerbsangebot. Das Kaufpreisangebot musste angemessen und gerichtlich nachprüfbar sein. In der Folge kam es kaum noch zu Delisting-Fällen. Mit der Frosta-Entscheidung verwarf der BGH mit Rückenwind des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Macrotron-Grundsätze zur Gänze. Die tatsächliche Verkehrsfähigkeit einer Aktie sei eine schlichte ungeschützte Ertrags- und Handelschance, der Anlegerschutz werde ausreichend durch börsenrechtliche Regelungen gewährleistet. Kritik erhob sich vor allem aus dem Lager von Aktionärsschützern und Kleinaktionären, denn der börsenrechtliche Schutz bestand bei Lichte betrachtet an den meisten deutschen Börsen lediglich aus einer Wartefrist zwischen der Entscheidung der Börse über den Widerruf der Zulassung und dem Wirksamwerden dieses Widerrufs. Auch durfte die vom BVerfG bemühte Annahme, ein Delisting beeinträchtige den Börsenpreis nicht, auf Grund abweichender empirischer Beobachtungen durchaus angezweifelt werden.

Emittenten nutzten nun zunehmend die günstige Gelegenheit, sich frei von Aktionärspräferenzen und Abfindungszwängen von der eigenen Börsenzulassung zu trennen, sei es nur teilweise (Downgrading oder Downlisting in ein weniger reguliertes Marktsegment), sei es vollständig (Delisting). Begründet wurde dies zumeist damit, der mit einer Börsenzulassung verbundene Aufwand sei zu hoch, die kapitalmarktrechtliche Transparenz aus Wettbewerbsgründen nachteilig oder ein Zugang zum Kapitalmarkt nicht mehr erforderlich. Änderungen des § 39 Börsengesetz stellen nun einen wichtigen Teil des Rechtszustandes vor Frosta wieder her: Der Widerruf der Börsenzulassung auf Antrag des Emittenten kann – wenn die Aktie nicht weiterhin an einer anderen inländischen oder ausländischen Börse im regulierten Markt gehandelt wird (dann liegt schon kein vollständiges Delisting vor) – von der Börse nur ausgesprochen werden, wenn jemand – dies wird in der Regel der größte Einzelaktionär sein – gleichzeitig ein Erwerbsangebot an alle anderen Aktionäre nach dem etablierten Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) richtet. Wie dieses Angebot ausgestaltet sein muss und welche Kriterien für die Angemessenheit der Gegenleistung zu erfüllen sind, ist Gegenstand der Neuregelung. Hinsichtlich der Gegenleistung ist § 31 WpÜG mit Verschärfungen anzuwenden: Sie darf nur in einer Geldleistung in Euro bestehen. Ihre Höhe orientiert sich am durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der betroffenen Aktie der letzten sechs Monate – statt der sonst vorgesehenen drei Monate im Übernahmerecht – vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Erwerbsangebots oder bei Veröffentlichung der Kontrollerlangung, § 39 Abs. 3 Satz 2 BörsG.

Abweichend davon soll der Unternehmenswert für die Bestimmung der Angemessenheit der Gegenleistung maßgeblich sein, wenn der Emittent Ad-hoc-Publizitätspflichten verletzt hat oder er oder der Bieter gegen das Verbot der Markmanipulation verstoßen haben, es sei denn, diese Verstöße haben den Durchschnittskurs nur unwesentlich beeinflusst. Dass der Börsenkurs zur Ermittlung der Gegenleistung nicht geeignet ist, wenn eine Marktenge bestanden hat, entspricht der herkömmlichen Rechtslage nach dem WpÜG und wird vom Börsengesetz aufgegriffen; dann ist der Abfindungsbetrag anhand einer Unternehmensbewertung des Emittenten zu ermitteln, § 39 Abs. 3 Satz 3 BörsG. Auch eine Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung folgt konsequent den WpÜG-Regeln, bei denen kein Spruchverfahren vorgesehen ist. Ein Aktionär, der die Abfindung für unangemessen niedrig hält, wird auf eine zivilrechtliche Klage gegen den Bieter auf der Anspruchsgrundlage des § 31 WpÜG verwiesen. In das Aktiengesetz brauchte der Gesetzgeber nicht einzugreifen, da er keine neue Hauptversammlungszuständigkeit für das Delisting schaffen, also insofern die Macrotron-Grundsätze nicht aufgreifen wollte.

 

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse