„Der „“Goldene Handschlag““ für den Vorstand“
In den letzten Monaten sind Vorständen prominenter Gesellschaften bei ihrem Abgang hohe Abfindungen gezahlt worden. Das wirft die Frage auf, ob ein solcher „Goldener Handschlag“ den Grundsätzen guter Unternehmensführung entspricht. Der Deutsche Corporate Governance Kodex stellt eine scheinbar eindeutige Regel auf: Beim Abschluss von Vorstandsverträgen ist darauf zu achten, dass die Abfindung bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit ohne wichtigen Grund zwei Jahresvergütungen nicht überschreitet. Dass trotzdem häufig höhere Summen gezahlt werden, offenbart zwar eine Schwäche der Kodex-Regelung, macht sie aber nicht automatisch zu einem stumpfen Schwert, wie Richard Mayer-Uellner von CMS Hasche Sigle erläutert.
In den letzten Monaten sind Vorständen prominenter Gesellschaften bei ihrem Abgang hohe Abfindungen gezahlt worden. Das wirft die Frage auf, ob ein solcher „Goldener Handschlag“ den Grundsätzen guter Unternehmensführung entspricht. Der Deutsche Corporate Governance Kodex stellt eine scheinbar eindeutige Regel auf: Beim Abschluss von Vorstandsverträgen ist darauf zu achten, dass die Abfindung bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit ohne wichtigen Grund zwei Jahresvergütungen nicht überschreitet. Dass trotzdem häufig höhere Summen gezahlt werden, offenbart zwar eine Schwäche der Kodex-Regelung, macht sie aber nicht automatisch zu einem stumpfen Schwert, wie Richard Mayer-Uellner von CMS Hasche Sigle erläutert.
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Der Corporate Governance Kodex ist grundsätzlich unverbindlich. Allerdings müssen Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Unternehmen jährlich öffentlich erklären, ob sie die Kodex-Empfehlungen einhalten und etwaige Abweichungen begründen. Ist die Erklärung unrichtig, handeln sie pflichtwidrig und können sich haftbar machen. Für das Jahr 2011 erklärt z. B. die große Mehrzahl der im DAX und MDAX vertretenen Gesellschaften, dass sie die Empfehlung zum so genannten „Abfindungs-Cap“ einhalten. Dennoch liegen Abfindungen häufig über der Obergrenze von zwei Jahresvergütungen. Kann das mit dem Kodex vereinbar sein?
Unter Juristen wurde intensiv diskutiert, wie der Abfindungs-Cap umzusetzen ist. Dabei hat der zuständige Aufsichtsrat Folgendes zu beachten: Liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung des Vorstandsvertrags vor (z. B. eine grobe Pflichtverletzung), darf überhaupt keine Abfindung gezahlt werden. Als Geltungsbereich der Kodex-Regel verbleiben also nur Fälle, in denen kein wichtiger Kündigungsgrund besteht. Dann kann der Vertrag aber nur einvernehmlich beendet werden. Verweigert der betreffende Vorstand seine Zustimmung – etwa weil ihm die gebotene Abfindung zu niedrig ist –, bleibt der Vertrag unverändert in Kraft. Im Ernstfall ist die Abfindung also nur durchsetzbar, wenn der Vorstand zustimmt. Wie kann der Abfindungs-Cap dann überhaupt umgesetzt werden?
Koppelungsklauseln
Man kann über die Vereinbarung einer so genannten Koppelungsklausel nachdenken. Sie erlaubt es dem Aufsichtsrat ausnahmsweise, den Vertrag gegen Zahlung einer Abfindung ordentlich zu kündigen, wenn die Amtszeit als Vorstand endet (die vom Vorstandsvertrag zu unterscheiden ist). In der Praxis kann es durchaus vorkommen, dass der Aufsichtsrat einen pflichtwidrig handelnden Vorstand abberuft, der Vertrag jedoch weiterläuft, weil keine Kündigungsmöglichkeit besteht. Die gesetzlichen Hürden für die Vertragskündigung sind nämlich höher als für die Ablösung als Vorstand. Letztlich handelt es sich aber um Ausnahmefälle, so dass diese Lösung dem Zweck des Kodex kaum gerecht wird.
Meistens nehmen Unternehmen die Kodex-Vorschrift zum Abfindungs-Cap einfach wörtlich in den Vorstandsvertrag auf. Auch das ändert freilich nichts daran, dass der Vertrag nur einvernehmlich beendet werden kann. Der Vorstand kann also entweder die Aufhebung gegen eine Abfindung von zwei Jahresgehältern akzeptieren oder den Vertrag fortlaufen lassen. Die vertragliche Übernahme der Kodex-Vorschrift führt nämlich nur zu einer unverbindlichen Absichtserklärung beider Parteien. Sie regt den Vorstand zur freiwilligen Einhaltung der Obergrenze an und bringt den Aufsichtsrat in einen Begründungszwang, wenn er dennoch eine höhere Abfindung gewährt. Ist dem Aufsichtsrat an einem sofortigen Vertragsende gelegen, wird er häufig trotzdem eine Abfindung oberhalb von zwei Jahresvergütungen akzeptieren.
Trotz dieser Schwächen wird die skizzierte Lösung anerkannt. Entgegen dem ersten Anschein verstößt es also regelmäßig nicht gegen den Kodex, eine Abfindung von mehr als zwei Jahresvergütungen zu zahlen. Es genügt, bei Vertragsschluss eine unverbindliche Absichtserklärung abzugeben.
Vorstand soll unabhängig bleiben
Bei der Kritik an hohen Abfindungen wird oft Folgendes übersehen: Erstens kommt eine Abfindung nur in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Vertragskündigung fehlt. Liegt ein solcher Grund vor, ist eine sofortige Entlassung ohne Abfindung möglich. Zweitens hat der Gesetzgeber dem Vorstand bewusst eine unabhängige und eigenverantwortliche Stellung bei der Unternehmensleitung eingeräumt. Sie soll ihn in die Lage versetzen, die Gesellschaft ausschließlich im Unternehmensinteresse zu führen. Könnte der Aufsichtsrat den Vertrag gegen Zahlung von zwei Jahresvergütungen ohne wichtigen Grund einseitig beenden, müsste man sich vom Grundsatz der Unabhängigkeit des Vorstands verabschieden.
Man könnte der Kodex-Kommission vorhalten, unrealistische Erwartungen geweckt zu haben, weil sie eine Regel aufgestellt hat, die in der Praxis kaum rechtlich durchsetzbar ist. Dass sie sich dieses sensiblen Themas dennoch angenommen hat, ist sicherlich mit der hohen Erwartungshaltung zu erklären, die Politik und Öffentlichkeit bei Aspekten der Vorstandsvergütung einnehmen. Dem Aufsichtsrat ist letztlich zu empfehlen, es bei der bloßen Übernahme des Kodex-Wortlauts in den Vertrag zu belassen. Dies muss kein stumpfes Schwert sein: Ein Vorstand, der – trotz der gegenteiligen Empfehlung in seinem Vertrag und der öffentlichen Erklärung, den Kodex einzuhalten – eine höhere Abfindung verlangt, läuft durchaus Gefahr, seine Reputation zu beschädigen.
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