„Der Weg an die Börse ist jetzt endlich wieder frei“
Eigenkapitalaufnahmen über die Platzierung von Aktien erfreuen sich in diesem Jahr wieder zunehmender Beliebtheit. Nach den schwachen Jahren 2008 und 2009 zeigt sich eine erfreuliche Tendenz bei mittelgroßen Transaktionen im Bereich der Börsengänge (IPOs) und der Bezugsrechteemissionen (Secondary Rights Offerings). Mirko Sickinger (Partner) und Tobias Nagel (Associate) von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek beleuchten die Trends.
Eigenkapitalaufnahmen über die Platzierung von Aktien erfreuen sich in diesem Jahr wieder zunehmender Beliebtheit. Nach den schwachen Jahren 2008 und 2009 zeigt sich eine erfreuliche Tendenz bei mittelgroßen Transaktionen im Bereich der Börsengänge (IPOs) und der Bezugsrechteemissionen (Secondary Rights Offerings). Mirko Sickinger (Partner) und Tobias Nagel (Associate) von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek beleuchten die Trends.
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In den letzten beiden Jahren kam die IPO-Aktivität im regulierten Markt fast zum Erliegen. So gab es in Deutschland im Jahr 2008 nur zwei und im Jahr 2009 gar nur einen Börsengang. Die Emissionsvolumina waren in den beiden Jahren mit 400 Mio. Euro (2008) sowie 60 Mio. Euro (2009) zudem gering. Die Finanzkrise sorgte dafür, dass alle weiteren Pläne für Börsengänge nicht verwirklicht werden konnten – teilweise erst in letzter Sekunde, wie bei Schott Solar im Herbst 2008 oder Hochtief Concessions und Scan Energy im Dezember 2009. Hinderungsgrund war stets das Auseinanderklaffen der Preisvorstellungen der Unternehmen und der Investoren.
Nach der deutlichen Erholung der Märkte im vergangenen Jahr ist nun auch wieder die Risikobereitschaft der Anleger gestiegen, bei Börsenneulingen zu investieren. So gab es allein im ersten Quartal dieses Jahres vier reguläre Börsengänge sowie mit der Helikos S.E. den in Deutschland erstmaligen Börsengang einer Special Purpose Acquisition Company (SPAC). Bei der Helikos handelt es sich um eine Mantelgesellschaft, die selbst nicht operativ tätig ist, sondern im Anschluss an den Börsengang nach einem „Hidden Champion“ aus dem Mittelstand sucht, um diesen durch eine Übernahme auf einfache Weise an die Börse zu bringen.
Börsengänge und Kapitalerhöhungen 2010
Die Vorteile eines IPO nutzten in diesem Jahr bereits die Kabel Deutschland Holding AG (Platzierungsvolumen: 759 Mio. Euro), die Brenntag AG (747,5 Mio. Euro), die Tom Tailor Holding AG (164,45 Mio. Euro) sowie die Joyou AG (104,65 Mio. Euro). Die hierbei zum Bezug angebotenen Aktien stammten jeweils aus den Beständen der Altaktionäre sowie mit Ausnahme von Kabel Deutschland aus neuen Aktien, die im Rahmen von Kapitalerhöhungen geschaffen wurden. Aus den Beständen der Altaktionäre war auch bei allen vier Börsengängen zur Stabilisierung des Platzierungspreises eine Mehrzuteilungs-Option (Greenshoe) bei einer das Angebot übersteigenden Nachfrage vorgesehen.
Der Platzierungspreis wurde bei drei Erstnotierungen im Rahmen eines Bookbuilding-Verfahrens und bei Tom Tailor durch ein so genanntes Decoupled Bookbuilding-Verfahren festgestellt. Während in ersterem Verfahren eine Preisspanne für den Angebotspreis bereits vor Veröffentlichung des Prospekts festgelegt wird, wird in der modifizierten Variante dieses Verfahrens der Prospekt zunächst ohne jegliche Preisangabe veröffentlicht. Die Preisspanne legt der Emittent dann nach Gesprächen mit Investoren fest, welche dann in einem Nachtrag zum Prospekt veröffentlicht wird. Beide Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass der endgültige Bezugspreis erst am Ende der Angebotsfrist auf Grundlage des Orderbuchs ermittelt und in einer Preisbekanntmachung veröffentlicht wird.
Im Bereich der eigentlichen Kapitalerhöhungen wird dieser Begriff meist untechnisch gebraucht, da auch beim IPO typischerweise eine Kapitalerhöhung erfolgt, aus der die angebotenen jungen Aktien stammen, die meist neben den Aktien aus Besitz der Altaktionäre platziert werden. Die als Kapitalerhöhungen bezeichneten Transaktionen sind so genannte Secondary Rights Offerings, in deren Rahmen bereits notierte Unternehmen weitere Aktien aus Kapitalerhöhungen ausgeben. Zwischen IPO-Aktivität und Secondary Rights Offerings gibt es häufig eine Phasenverschiebung in den Marktzyklen dergestalt, dass zunächst wieder die Emissionen etablierter Unternehmen vom Markt aufgenommen werden und erst anschließend die IPO-Aktivität ansteigt. So war schon in 2009 eine erhöhte Aktivität im Bereich der Kapitalerhöhungen zu verzeichnen. Die Anzahl der Kapitalerhöhungen von Emittenten im regulierten Markt ist zwar in den beiden letzten Jahren in etwa gleich geblieben, das Emissionsvolumen stieg jedoch von rd. 8 Mrd. Euro (2008) auf etwa 12,4 Mrd. Euro (2009, ohne Hypo Real Estate) an.
Zunehmende Platzierungsaktivität
Die im Jahr 2010 bereits durchgeführten IPOs werden als positives Signal dafür gewertet, dass Börsengänge wieder ein erfolgversprechendes Mittel der Eigenkapitalaufnahme sind. Auch wenn die Fehlversuche der Vergangenheit sowie die Preiszugeständnisse der Börsenneulinge 2010 manche Börsenaspiranten noch zögern lassen, so ist der Weg an die Börse jetzt wieder frei. Experten gehen daher auch davon aus, dass es in diesem Jahr möglicherweise noch zehn bis 15 weitere IPOs geben wird, von denen eine Reihe auch Platzierungsvolumina im Milliardenbereich erreichen könnten. Auch eine Zunahme von Kapitalerhöhungen wird erwartet, vor allem in der Industrie, insbesondere in der Automobilindustrie sowie bei Immobilienfirmen. Vermarktungsstrategien und technische Umsetzung entsprechen den aus Vorjahren bekannten Szenarien. Es bleibt abzuwarten, ob sich im Rahmen der Intensivierung der Platzierungsaktivitäten neue Strategien entwickeln und insbesondere das Konzept der SPACs sich in Deutschland etablieren wird.
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