Die Placebo-Rente – hehre Ambition, wenig Wirkung
Eine Aktiv-Rente und die Frühstart-Rente sollen es richten: Beides ist im Koalitionsvertrag vereinbart und soll der Beitrag der Union zur Lösung aktueller Rentenprobleme sein.

Während es zur Aktivrente im Wesentlichen nur Zustimmung gibt – die Menschen sollen die Möglichkeiten haben, im Rentenalter 2.000 Euro im Monat steuerfrei hinzuzuverdienen – gibt es zur Frühstart-Rente mehr als nur große Fragezeichen.
Auf die Ausgestaltung kommt es an
10 Euro soll danach jedes schulpflichtige Kind ab dem 6. bis zum 18. Lebensjahr pro Monat vom Staat erhalten, finanziert aus Steuermitteln. Das Geld soll in ein Altersvorsorgedepot fließen und erst im Rentenalter verfügbar sein. Details zur Ausgestaltung werden aktuell in der Bundesregierung erarbeitet und diskutiert.
Die Ziele der Frühstart-Rente: Sie soll ein Grundstock für die spätere private Altersvorsorge sein und zur finanziellen Allgemeinbildung junger Menschen beitragen, die sich auf dem Smartphone tagesaktuell über den Stand ihrer Rente informieren können. Letzteres darf getrost als lebensfremd bezeichnet werden. Welcher 12- oder 15-jährige interessiert sich für drei- oder kleine vierstellige Sparguthaben, die sich „mangels Masse“ im Schneckentempo nach oben bewegen und erst in Jahrzehnten verfügbar sind? Den Kindern wird ja noch nicht einmal „erlaubt“ sein, die Anlage eigenständig zu tätigen und dabei Erfahrungen zu sammeln. Dazu fehlt ihnen allein schon die Geschäftsfähigkeit. Wer Kinder aufgezogen hat, weiß deshalb, dass sich die politische Absicht, mit der Frühstart-Rente die Finanzbildung zu fördern, im Reich der Theorie bewegt.
Nicht ganz so abwegig ist die Idee des Grundstocks für die Privatrente. Aber nicht mit 10 Euro im Monat. Es ist deshalb erforderlich, von Beginn an Zuzahlungen zu ermöglichen. Eltern, Tanten, Onkel und Großeltern sind im Zweifel gerne bereit, zum Beispiel zum Geburtstag, zur Firmung oder an Weihnachten anstelle mehr oder weniger sinnvoller Sachgeschenke etwas in die Zukunft zu investieren.
Erwägenswert und sinnvoll ist ein verpflichtender Eigenbeitrag der Eltern zum Beispiel auch in Höhe von 10 Euro. Dies würde nicht nur das Volumen verdoppeln, sondern auch ein Stück weit Steuergerechtigkeit hervorbringen. Denn Steuerzahler ohne Kinder oder mit älteren Kindern haben nichts (mehr) von der Frühstart-Rente und sind davon besser zu überzeugen, wenn Eltern mit berechtigten Kindern sich an „Steuergeschenken“ für ihre Kinder zumindest beteiligen müssen.
Gut gemeint. Jahrzehnte zu spät
Abwegig ist es, die Frühstart-Rente in eine Diskussion einzubringen, in der es um Lösungen für die aktuellen Herausforderungen im Rentensystem geht. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen aktuell nach und nach in Rente und die Anzahl der Erwerbstätigen schrumpft, wegen niedriger Geburtenraten und wegen zunehmender Arbeitslosigkeit. Die Frühstart-Rente würde Steuermittel beanspruchen, die dann nicht mehr als Zuschuss zur gesetzlichen Rente zur Verfügung stehen. Und sie wird ihre Funktion als Zusatzrente erst in Jahrzehnten erfüllen können. Dann hat sich aber das „Problem“ der geburtenstarken Jahrgänge auf andere Weise quasi von selbst gelöst.
Summa Summarum ist die Frühstart-Rente vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen eine Placebo-Rente. Sie bewirkt quasi nichts, den Menschen wird aber, allein schon durch ihre Verortung in einer Rentenreform, das Gegenteil vorgemacht. Die Politik wäre gut beraten, hier ehrlicher zu kommunizieren und die Frühstart-Rente isoliert zu diskutieren. Sonst führt Augenwischerei dazu, dass von den Kernproblemen abgelenkt wird.
Keine Frühstart-Rente ohne Riester-Reform
Mit dem 18. Lebensjahr, spätestens aber mit Eintritt ins Erwerbsleben stellt sich die Anschlussfrage: Wie ist mit dem bis dahin angesammelten Kapitalstock weiter zu verfahren? Im Idealfall geht dieser nahtlos in eine eigenverantwortliche, staatlich geförderte, private Altersvorsorge über. Und die existiert mit der Riester-Vorsorge. Diese muss „lediglich“ reformiert werden, was von der Branche seit weit über 10 Jahren gefordert wird, von den zurückliegenden Bundesregierungen aber systematisch verweigert wurde. Wohl, weil man nicht möchte, dass zusätzliche Haushaltsmittel in die private Altersvorsorge fließen. Diese Mittel sollen besser zur Stützung der gesetzlichen Rente eingesetzt werden.
Die zurückliegende Bundesregierung hat es unter Federführung der FDP zumindest geschafft, ein konkretes Reformprojekt auf den Weg zu bringen, für das es sogar einen Referentenentwurf gab. Diesen sollte die aktuelle Bundesregierung nicht nur aus Gründen der Einfachheit und zur Beschleunigung berücksichtigen, er war auch konsensfähig und zeitgemäß.
Nicht nur aus taktischen Erwägungen sollte eines politisch aber nicht geschehen: Eine Rentenreform, die für einen kaum bezahlbaren Preis den Status Quo in der gesetzlichen Rente quasi einzementiert und im Gegenzug eine Aktiv- und ein Frühstart-Rente auf den Weg bringt. Dann ist zu befürchten, dass wie schon in den vorangegangenen Legislaturperioden die Frühstart-Rente quasi solo existiert, die Reform der Riester-Vorsorge, die damit Hand in Hand einhergehen muss, aber wieder auch aus taktischen Gründen verweigert wird. Das wäre der viel zitierte „Handel mit Zitronen“, wobei klar ist, wer hier die handelnden Parteien sind und wer welche Position vertritt.
Im Übrigen: Die Anzahl der Durchführungswege in der privaten wie in der betrieblichen Altersvorsorge ist schon jetzt unüberschaubar und für den „Normalbürger“ sowie für mittelständische Betriebe nicht mehr nachzuvollziehen. Wir brauchen mit der Frühstart-Rente nicht noch eine neue Form der privaten Altersvorsorge, die isoliert im Raum steht. Wenn sie mit der Riester-Vorsorge gedacht und gemacht wird und am Ende eine staatlich geförderte Altersvorsorge vom 6. bis zum 66. Lebensjahr steht, ist das ein echter Durchbruch.
Kein Staatsfonds
Ganz wesentlich ist die Antwort der Politik auf die Frage, wer für die Verwaltung der Mittel zuständig ist, die der Staat in die Frühstart-Rente investiert. Die Spielwiese der Möglichkeiten ist groß. Sie reicht vom KENFO als Trägerstiftung für einen Staatsfonds über Konsortiallösungen bis hin zu rein privatwirtschaftlichen Lösungen.
Die Antwort wäre einfacher, wenn der monatlich zur Verfügung stehende Betrag signifikant höher wäre als 10 Euro im Monat. Denn die Politik wird gewährleisten müssen, dass dieser ohnehin schon kleine Betrag möglichst in voller Höhe im Depot ankommt. Woraus sollen aber dann die immer anfallenden Verwaltungskosten finanziert werden?
Im Rahmen einer KENFO-Lösung könnten diese „versteckt“ und aus zusätzlichen Steuern finanziert werden. Mit Blick auf die Fortführung der Vorsorge auch im Erwerbsleben wären damit aber für die private Altersvorsorge die Weichen gestellt für deren mittel- bis langfristige Substitution durch einen Staatsfonds. Denn spätestens dann, wenn auch Erwerbstätige mit der Fortführung der Frühstart-Rente aus Teilen ihres Erwerbseinkommens in den Fonds einzahlen, ist im Grunde zusammen mit der gesetzlichen Rente fast die gesamte Alterssicherung verstaatlicht. Das kann politischer Wille sein, ist aber mit den Prinzipien von Eigenverantwortung, Angebotsvielfalt und Wettbewerb nicht vereinbar. Von den Beschäftigungseffekten in der Finanzwirtschaft ganz abgesehen.
Umso mehr ist zu fordern, dass von Beginn an durch obligatorische Eigenbeiträge (der Eltern), freiwilligen Zuzahlungsmöglichkeiten und mit einem schlüssigen Anschlusskonzept die Frühstart-Rente zusammen mit der reformierten Riester-Vorsorge so ausgestattet wird, dass die private Finanzwirtschaft überhaupt erst eine Chance hat, immer entstehende Kosten zu decken. Und gute Lösungen für die Anlage des Geldes hat sie, die private Finanzwirtschaft, allemal.
*Das vorliegende Advertorial spiegelt die Meinung des Autors wider und nicht notwendigerweise die der Redaktion.