Erbschaftsteuerreform 2016
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Eine Zwischenbilanz:
I. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG erklärte am 17. Dezember 2014 die Regelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes zur Verschonung von Betriebsvermögen (§§ 13a, 13 b ErbStG) für verfassungswidrig, da diese dem grundgesetzlich garantierten Gleichheitssatz widersprächen. Zwar sei eine Begünstigung von Betriebsvermögen grundsätzlich zulässig; große Unternehmen dürften jedoch nicht ohne Prüfung des Verschonungsbedarfs begünstigt werden. Auch die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der sogenannten „Lohnsummenregel“ sei nicht gerecht. Ebenfalls verfassungswidrig sei die sogenannte „Alles-oder-Nichts-Regel“, wonach der Erwerb von begünstigtem Vermögen selbst dann komplett verschont blieb, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen – ergo aus nach der gesetzgeberischen Wertung schädlichem Vermögen – bestand.
II. Die Neuregelung
Der Bundestag hatte sich den Vorgaben des BVerfG‘s angenommen und am 24. Juni 2016 einen Gesetzesentwurf beschlossen. Demzufolge hätte gegolten:
1. Verwaltungsvermögen – kein „Alles-oder-Nichts“ mehr
Der bisherige Verwaltungsvermögensbegriff wird beibehalten. Was als verschonungswürdiges Vermögen gilt und was nicht, bleibt also im Grundsatz gleich. Die „Alles-oder-Nichts-Regel“, wonach bisher auch enorme Mengen nicht-unternehmerischen Vermögens steuerbegünstigt übertragen werden konnten, wird jedoch abgeschafft. Ein Betrieb darf künftig nur noch bis zu 10% Verwaltungsvermögen haben.
2. Entlastung kleiner Unternehmen
Durch ein neues Stufen-Modell werden kleine Unternehmen bei der Lohnsummenregel begünstigt. Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten müssen auch weiterhin keine Lohnsummenprüfung durchführen, um in den Genuss einer Verschonung zu kommen. Bei über fünf Beschäftigten erfolgt eine Staffelung. Ab einer Mitarbeiterzahl von 15 muss dann die volle Lohnsummenregel eingehalten werden.
3. Große Unternehmensvermögen
Ab einem begünstigten Vermögen von 26 Mio. Euro pro Erwerber ist eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung oder, alternativ, ein Verschonungsabschlagsmodell vorgesehen.
Beim Verschonungsabschlag verringert sich auf Antrag die Verschonung um einen Prozentpunkt für jede 750.000 Euro, die der Erwerb oberhalb der Prüfschwelle von 26 Mio. Euro liegt. Ab einem Erwerb im Betrag von 90 Mio. Euro wird unter Umständen gar keine Verschonung mehr gewährt.
Bei der Verschonungsbedarfsprüfung, auch bekannt als „Hartz IV für Reiche“, prüft das Finanzamt, ebenfalls auf Antrag, ob der Erwerber die Steuer aus seinem erworbenen, jedoch nicht begünstigten Vermögen bzw. seinem nicht unternehmerisch gebundenen Privatvermögen zahlen kann, wobei von beiden Vermögensmassen jeweils nur 50% zu berücksichtigen sind.
4. Investitionsklausel
Mittel aus einem Erbe, die gemäß dem erklärten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod in das Unternehmen investiert werden, werden neuerdings steuerrechtlich begünstigt.
5. Familienunternehmen
Familienunternehmen werden begünstigt, sofern dort langfristige Bindungen über Generationen hinweg bestehen. Wenn dort gewisse Verfügungsbeschränkungen kumulativ bestehen, und zwar mindestens zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Tod des Erblassers bzw. dem Schenkungszeitpunkt, wird dies künftig als Steuerbefreiung in Höhe von maximal 30% bei der Bestimmung des Unternehmenswerts berücksichtigt.
6. Anpassung des Bewertungsverfahrens
Für die Bestimmung des Unternehmenswerts wird ein Kapitalisierungsfaktor mit dem nachhaltig erzielbaren Jahresertrag multipliziert, woraus sich der Unternehmenswert ergibt. Er wird von derzeit 17,86 auf eine Spanne von 10 bis maximal 12,5 abgesenkt.
7. Stundungsmöglichkeiten erweitert
Zur Abmilderung von möglichen erbschaftsteuerbedingten Härten für Unternehmen wird ein Rechtsanspruch auf eine voraussetzungslose Stundung bis zu zehn Jahren bei Erwerben von Todes wegen eingeführt.
Das Gesetz sollte rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten. Dazu ist es jedoch nicht gekommen, da die Länder am vergangenen Freitag den Gesetzesentwurf blockierten.
Von Larissa Koch, Anwältin für Erbrecht und Unternehmensnachfolge bei Arnecke Sibeth
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