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EU-Kommission will Reform des europäischen Gesellschaftsrechts vorantreiben

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Die EU-Kommission will das europäische Gesellschaftsrecht zukunftsfähig machen. Mit einer Konsultation fordert sie deshalb unter anderem Verbände und Unternehmen auf, zu den Zielen und der Gestaltung des Rechts Stellung zu nehmen. Warum eine Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts sinnvoll ist und was von der Initiative der Kommission erwartet werden kann, erläutert Antje Baumann, Partnerin der Hamburger Wirtschaftskanzlei Corinius.

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Entspricht das europäische Gesellschaftsrecht noch den Anforderungen an die moderne Wirtschaft? Ist eine noch stärkere Harmonisierung notwendig? Und wenn ja, in welchem Maße? Auf Fragen wie diese hofft die EU-Kommission möglichst viele Einschätzungen und Anregungen zu bekommen. Im Anschluss an eine Expertenanhörung bezieht sie nun alle Akteure im Markt ein und hat dazu im Internet einen Fragenkatalog veröffentlicht. Dieser beinhaltet Themen wie: Ziele und Anwendungsbereich des europäischen Gesellschaftsrechts, seine Kodifizierung, die Zukunft der Unternehmensrechtsformen auf EU-Ebene, die grenzübergreifende Mobilität von Unternehmen, Unternehmensgruppen sowie Eigenkapitalregelungen für europäische Unternehmen.

Eckpfeiler unternehmerischen Handelns

Die Kommission betont, dass bei der Schaffung des EU-Binnenmarktes das Gesellschaftsrecht einer der Eckpfeiler war, um unternehmerisches Handeln zwischen Akteuren der Einzelstaaten zu vereinfachen. In den vergangenen 40 Jahren wurden zahlreiche Vorschriften harmonisiert und dabei jeweils der Spagat zwischen Vereinheitlichung – und damit Vereinfachung – und den rechtlichen und wirtschaftlichen Besonderheiten der Mitgliedstaaten geübt.
Im Mittelpunkt der bisherigen Harmonisierungsbemühungen standen insbesondere der Kapitalmarkt und der Schutz von Aktionärsinteressen. Darüber hinaus wurden Regelungen zu Übernahmeangeboten, zur Offenlegungspflicht von Zweigniederlassungen, zu Verschmelzungen und Spaltungen oder auch Mindestvorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit nur einem einzigen Gesellschafter angeglichen.

EU-Gesellschaftsformen

Einen weiteren Schwerpunkt legte die Kommission auf den Bereich der unterschiedlichen europäischen Gesellschaftsformen wie Europäische Gesellschaft (Societas Europaea/SE), Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und Europäische Genossenschaft (SCE). Initiativen zur Vereinfachung sind jedoch in den letzten Jahren kaum vorangekommen. Nicht durchsetzen konnte sich beispielsweise bislang die Einführung einer Europäischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea, SPE).

Insbesondere die SE wird zwar zunehmend auch von mittelständischen Unternehmen als die Rechtsform genutzt, die eine Expansion und Neuordnung über Ländergrenzen hinweg ohne zeit- und kostenintensive Formalitäten für Tochtergesellschaften in verschiedenen Jurisdiktionen ermöglicht. Bemängelt wird allerdings, dass es der SE einerseits an der Flexibilität fehlt, die Gesellschaftsformen nach nationalem Regime aufweisen. Andererseits wird die SE erst dann zu einer wirklichen europäischen Gesellschaftsform werden, wenn durch eine Reform der SE-Richtlinie die unterschiedlichen Gestaltungsvarianten reduziert werden, welche durch die Bezugnahme auf nationale Regelungen faktisch bestehen.

Einheitlicher Rechtsrahmen?

Konkret fragt die Kommission im Rahmen der Konsultation nunmehr auch danach, ob die bestehenden Richtlinien zum europäischen Gesellschaftsrecht in einem einheitlichen gemeinsamen Rechtsrahmen zusammengefasst werden sollten. Dass dieser hierdurch zugänglicher und anwenderfreundlicher wäre als bislang, steht außer Frage. In Anbetracht der Vielzahl der Bedenken, welche unter anderem im Hinblick auf einen möglichen Verlust von Flexibilität und nationaler Wettbewerbsvorteile geäußert werden, erscheint eine EU-Initiative derzeit aber nicht realistisch. Ein großer Schritt würde bereits dann gelingen, wenn bei zukünftigen Initiativen größeres Augenmerk auf einen kohärenten Ansatz der Rechtsformen und im Hinblick auf bestehende Richtlinien auf eine größere Übereinstimmung zwischen diesen gelegt würde.

Über Reformen bei den Eigenkapitalregelungen wurde im Zuge der Finanzkrise bereits diskutiert. Ein Erfordernis von Mindestkapitaleinlagen für alle Unternehmensformen – nicht nur für Finanzunternehmen und Aktiengesellschaften – wäre zu Zwecken des Gläubigerschutzes wünschenswert.

Bereits 2011 hat die Kommission eine vergleichbare Konsultation zum Thema Corporate Governance durchgeführt. Weil sie hier enge Verknüpfungen zum Gesellschaftsrecht sieht, sollen weitergehende Initiativen aus beiden Projekten Ende 2012 gemeinsam vorgestellt werden. Noch bis zum 14.5. nimmt die Kommission Beiträge an. Für das zweite Halbjahr 2012 hat sie weitere Initiativen angekündigt. Ob und wie das europäische Gesellschaftsrecht durch diese Bemühungen dann einen weiteren großen Schritt nach vorn machen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.

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