EuGH – Dienstleistungen müssen weiterhin ausgeschrieben werden
Die hessische Gemeinde Niedernhausen wollte eine gemeindeeigene Mehrzweckhalle sanieren und hatte sich vorab auf ein örtliches Planungsbüro als Auftragnehmer festgelegt. „Anstatt jedoch einen umfassenden Auftrag zu erteilen, bildete die Gemeinde drei Sanierungsabschnitte, für die in zeitlich dichter Abfolge eigenständige Planungsaufträge erteilt wurden“, so Christoph Jahn, Experte für Öffentliches Wirtschaftsrecht bei BRANDI Rechtsanwälte. Deren einzelne Kosten lagen jeweils unterhalb, der Gesamtwert aber deutlich oberhalb des dafür geltenden Schwellenwerts von 200 000 Euro.
Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass die Bundesrepublik Deutschland – der das Verhalten der Gemeinde Niedernhausen zugerechnet wird – damit gegen die unionsrechtliche Verpflichtung verstoßen hat, öffentliche Aufträge nicht ohne europaweites Vergabeverfahren zu erteilen, wenn der Gesamtauftragswert den Schwellenwert erreicht. „Die Luxemburger Richter stellen klar, dass die zu Bauaufträgen entwickelte Rechtsprechung des Gerichtshofs auf Dienstleistungsaufträge, wie hier über Architektenleistungen, übertragbar ist“, erläutert Martin Dippel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei BRANDI. Entscheidend war, dass mit der Gemeinde stets derselbe Auftraggeber auftrat, dass die Planungsleistungen in allen drei Abschnitten dasselbe Gebäude betrafen und dass ihnen ein zusammenhängendes Sanierungsprojekt zugrunde lag. „Der EuGH konnte keine auftragsbezogenen Gründe für eine Aufteilung dieser wirtschaftlich und technisch zusammenhängenden Leistungen in Einzelaufträge erkennen“, so Dippel weiter.
Das Urteil unterstreicht den Vorrang des Unionsrechts und dessen auf größtmögliche Wirksamkeit ausgerichtete Auslegung durch den EuGH. „Die Lehre dieses Vertragsverletzungsverfahrens liegt darin, eine europaweite Ausschreibung nicht durch eine Stückelung des Auftrags zu umgehen, sondern sie zum eigenen Vorteil zu nutzen“, meint Jahn. Denn Kommunen könnten davon profitieren, über das Vergabeverfahren Kosten zu senken. Dies schone die öffentlichen Haushalte und eröffne Dienstleistern Chancen auf Aufträge in ganz Europa.