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EuGH schafft mit Google-Urteil Recht auf Vergessen

Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hat mit der Entscheidung vom 13. Mai 2014 dem Suchmaschinenbetreiber Google eine herbe Niederlage beschert, die auch andere Unternehmen und Datenschutzverantwortliche noch lange beschäftigen wird. Das Urteil beinhaltet zwei richtungsweisende Aussagen. Zum einen hat das Gericht den räumlichen Anwendungsbereich des europäischen Datenschutzrechts durch eine großzügige Auslegung des Begriffs der „Niederlassung“ erheblich erweitert und zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Löschung von Daten abgeleitet. Betroffene Personen können sich nun künftig an den Suchmaschinenbetreiber wenden und verlangen, dass Informationen über ihre Person „vergessen“ werden, erläutert Christoph Ritzer, Rechtsanwalt und Datenschutzexperte bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt.

Im zugrundeliegenden Fall verwiesen die Sucherergebnisse von Google auf einen Zeitungsartikel, in dem ein spanischer Staatsangehöriger in den Zusammenhang mit einer Immobilienpfändung gebracht wurde. Der Betroffene wollte auf Grund angeblicher Rufschädigung den Artikel und die entsprechenden Suchergebnisse löschen lassen. Google bestritt den Anspruch und verwies auf die Tatsache, dass Google in Spanien nur eine Vertriebsniederlassung betreibe, die selbst nicht für die Datenverarbeitung ihrer Suchmaschine verantwortlich sei. Nach bisheriger Auslegung wären in einem solchen Fall die europäische Datenschutzrichtlinie und das hierauf basierende spanische Datenschutzrecht nicht anwendbar gewesen. Ferner argumentierte Google stets damit, dass es andere Inhalte des Internet nur abbilde, selbst aber nicht für die einzelnen Suchergebnisse verantwortlich sei. Beides sieht der EuGH nun anders.

Datenschutzrecht der Niederlassungsländer gilt

Laut EuGH ist für die Anwendbarkeit europäischen Rechts maßgeblich, dass der Vertrieb von Werbung durch die Niederlassung in Spanien und der Betrieb der Suchmaschine wirtschaftlich „untrennbar miteinander verbunden“ seien. Dies qualifiziert nach der Entscheidung des EuGH die Verarbeitung der Daten insgesamt als Tätigkeit der spanischen Niederlassung. Der EuGH dehnt den Anwendungsbereich des europäischen Rechts somit auch auf außereuropäische Unternehmen aus, sogar wenn diese in Europa selbst gar keine Daten verarbeiten. Hiermit will der EuGH augenscheinlich vor allem Sachverhaltsgestaltungen einen Riegel vorschieben, die eine Anwendung von EU-Datenschutzrecht zu umgehen versuchen. Spannend ist nun, ob auch ähnliche Szenarien innerhalb Europas angreifbar werden. Facebook verarbeitet beispielsweise seine „europäischen Daten“ bisher bewusst in Irland und vermeidet bei anderen europäischen Niederlassungen eigene Datenverarbeitungen, um in ganz Europa nur irisches Recht beachten zu müssen – und so auch von der relativ schwachen irischen Datenschutzaufsicht zu profitieren. Die vom EuGH nun ausgelegte Vorschrift der Datenschutzrichtlinie regelt aber an sich die Anwendbarkeit des jeweiligen nationalen Datenschutzrechts innerhalb Europas.

Entsprechend ließe sich also auch argumentieren, eine deutsche Facebook-Niederlassung sei in diesem Beispiel wirtschaftlich untrennbar mit der verarbeitenden Stelle verbunden, so dass auch die deutsche Niederlassung für die Datenverarbeitung verantwortlich sei. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass ein Konzern mit Vertriebsniederlassungen in ganz Europa potenziell das Recht aller Mitgliedstaaten einhalten müsste. Unternehmen müssen sich also künftig auch darauf einstellen, dass Datenschutzbehörden und Gerichte in Ländern, in denen sie reine Vertriebsniederlassungen haben, das dort jeweils geltende Datenschutzrecht anwenden, auch wenn die Verarbeitung an sich nur in einem Staat stattfindet. Dies führt der EuGH in seinem Urteil zwar nicht ausdrücklich aus, jedoch lässt seine Auslegung eine solche extensive Anwendung des betreffenden Artikel 4 der Datenschutzrichtlinie zu.

Dieser Aspekt wurde bisher wenig beachtet, während das neue „Recht vergessen zu werden“ großen Widerhall fand. Hierzu stellte der EuGH klar, dass auch ein Suchmaschinenanbieter für seinen Index und die Suchergebnisse selbst verantwortlich ist. Ferner kann laut EuGH die Berichterstattung über eine Person im Internet noch zulässig sein, während die Verlinkung dieser Berichterstattung in einer Suchmaschine zur gleichen Zeit schon unzulässig ist. Begründet wird dies damit, dass die Zusammenführung von verschiedenen Suchergebissen über eine Person deren Rechte stärker verletzt als jede einzelne Berichterstattung für sich genommen. Daher können Bürger sich nun an einen Suchmaschinenbetreiber wenden und beantragen, dass die Links zu ihrer Person aus dem Index oder zumindest aus den angezeigten Suchergebnissen gelöscht werden. Obwohl die Entscheidung des EuGH zunächst nur für Suchmaschinen gilt und einige Aussagen auf Grund der Komplexität des Prozesses einer differenzierten Betrachtung bedürfen, werden auch andere Unternehmen genau prüfen müssen, ob sie nicht auch von der Entscheidung betroffen sind. Verantwortliche müssen damit rechnen, dass Betroffene die Grenzen der Anwendbarkeit der neuen Rechte ausloten und sie sich somit in Zukunft vermehrt mit Löschbegehren auseinanderzusetzen haben. Ferner sind Rechtsstreitigkeiten zu erwarten, in welchen Fällen solche Bezüge zu einer Person zu löschen sind – oder vielmehr im öffentlichen Interesse liegen und somit behalten werden müssen.

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