Europäische Markenrechtsreform
„
Die Verordnung sorgt auch für eine neue Gebührenstruktur. So kostet die Anmeldung einer Unionsmarke für eine Waren- oder Dienstleistungsklasse 850 Euro, für die zweite Klasse kommen noch 50 Euro und für jede weitere Klasse 150 Euro hinzu. Die Anmeldung für nur eine Klasse ist daher günstiger geworden, eine Anmeldung für drei Klassen hingegen etwas teurer (bisher kostete eine Anmeldung für bis zu drei Klassen 900 Euro). Außerdem wurden die Verlängerungsgebühren reduziert und den Anmeldegebühren angeglichen. Das macht die Beibehaltung einer Markenanmeldung in Zukunft günstiger, was vor allem Konzernen mit großem Unionsmarken-Portfolio zu gute kommt.
Außerdem wurde klargestellt, dass die Nutzung der Oberbegriffe der Klassen der Nizza-Klassifikation im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis zulässig ist, wenn diese Oberbegriffe klar und präzise sind. Entgegen der Praxis des EUIPO vor der „IP-Translator““-Entscheidung des EuGH ist die Marke nur für Waren geschützt, die eindeutig unter die angegebenen Oberbegriffe fallen. Waren und Dienstleistungen, die nicht unter einen angemeldeten Oberbegriff subsumiert werden können, müssen ausdrücklich benannt sein. Das hat praktische Auswirkungen: Inhaber von Unionsmarken, die vor dem 22. Juni 2012 angemeldet wurden, müssen nun bis zum 24. September 2016 erklären, ob sie Schutz für Waren und Dienstleistungen beanspruchen, die nicht unter die angemeldeten Oberbegriffe in ihrer wörtlichen Bedeutung fallen. Dies ist jedoch nur für Waren und Dienstleistungen möglich, die in der alphabetischen Liste der im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke gültigen Nizza- Klassifikation enthalten waren.
Das Reformpaket stärkt außerdem Markeninhaber im Kampf gegen Produktpiraterie. Jetzt können bereits Vorbereitungshandlungen wie das Anbringen einer Marke auf der Verpackung oder anderer Kennzeichnungsmittel (Etiketten, Echtheitshinweise etc.) untersagt werden, wenn die Gefahr besteht, dass gefälschte Verpackungen etc. genutzt werden und diese Nutzung eine Unionsmarke verletzt. Nach Artikel 9 (4) der Verordnung können Rechteinhaber jetzt mit Hilfe zollrechtlicher Maßnahmen die Einfuhr von Waren aus Drittstaaten in die EU und ihre Überführung in alle zollrechtlichen Situationen – einschließlich Durchfuhr – verhindern, wenn die Waren bzw. ihre Verpackung mit einer Marke versehen sind, die mit der eigenen Marke identisch bzw. von dieser quasi nicht zu unterscheiden ist, ohne dass, wie bisher, der Nachweis erbracht werden muss, dass die Waren dazu bestimmt sind, in der EU in den Verkehr gebracht zu werden. Dies weitet den Schutz europäischer Marken deutlich aus.
Nicht zuletzt wurden die Vorschriften zum „fair use““ (d.h. die erlaubte, redliche Benutzung von Marken, z.B. als beschreibende Angabe oder als Hinweis auf die Bestimmung der Ware) ergänzt und nach deutschem Vorbild die Möglichkeit des „Erwerbs von Zwischenrechten““ eingeführt. Außerdem wurde die Notwendigkeit der grafischen Darstellbarkeit einer Marke gestrichen und zusätzliche absolute Eintragungshindernisse wurden eingeführt. Das betrifft Zeichen, die nur aus einem charakteristischen Merkmal der Ware bestehen, wie z.B. deren Klang, Geruch oder Farbe. Das Gleiche gilt für traditionelle Bezeichnungen für Weine, garantiert traditionelle Spezialitäten und Sortenschutzrechte. Hier wurden Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben auch als relative Eintragungshindernisse inkludiert, mit der Folge, dass auf Grund älterer Rechte Widerspruch gegen eine Anmeldung erhoben werden kann.
Die zweite Säule des Markenrechts-Reformpakets ist die geänderte Richtlinie ((EU) 2015/2436) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. Markenrechtliche Verfahrensvorschriften der Mitgliedsstaaten werden harmonisiert, nationale Vorschriften den Vorschriften der Unionsmarkenverordnung angeglichen und die Mitgliedsstaaten verpflichtet, effektive Widerspruchs- und Nichtigerklärungsverfahren einzuführen. Das ist ein begrüßenswerter Schritt zur Effizienzsteigerung im europäischen Markenrecht.
„