Exklusiv-Interview

Haarmanns steuerliche Reformagenda

Was sich im deutschen Steuerrecht ändern muss. Steuer-Papst Wilhelm Haarmann erläutert im Exklusiv-Interview mit PLATOW seine Reformagenda.

von Albrecht Schirmacher,
Wilhelm Haarman
Wilhelm Haarman © McDermott Will & Emery

Wilhelm Haarmann, weithin anerkannter Steuerexperte, der alljährlich eine der größten Steuerkonferenzen Deutschlands im Berliner Adlon ausrichtet (in diesem Jahr vom 19. bis 21.2.), war lange Zeit ein einsamer Rufer in der Wüste. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump wächst der Druck auf Deutschland, für den Standort auch steuerlich etwas zu tun. Wir führten am Rande des WEF in Davos ein Gespräch.

Herr Haarmann, welches sind die wichtigsten Redner Ihrer traditionellen Steuerkonferenz in Berlin?
Aus der Politik tritt auf Ralph Alexander Lorz, der Finanzminister von Hessen. Dann kommt z. B. Michael Lennard, der für Steuern zuständige Mann der UN, ferner Benjamin Angel, zuständig für direkte Steuern bei der EU-Kommission. Von der OECD kommen Achim Pross, zuständig u.a. für die Mindeststeuer, und Manuel de los Santos, zuständig für Verrechnungspreise.

 

In den USA haben wir einen Machtwechsel, der aller Voraussicht auch dazu führt, dass der weltweite Steuerwettbewerb Fahrt aufnimmt. Was erhoffen Sie sich für Ihre schon länger an die deutsche Politik gerichtete Forderung, im breiten Stil Steuern zu senken?
Zum einen und darüber wird am meisten gesprochen, sollen die Steuersätze reduziert werden. Das ist auch gut so und zwar für die Unternehmen. Ich persönlich plädiere dafür, dass die Unternehmen in Deutschland einer einheitlichen Steuer unterliegen, das heißt auch die GmbH und Co. KGs und ähnliche Einheiten wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Das ist im Ausland bei solchen Einheiten z. T. bereits der Fall. Die Unternehmen sollen dann einen ganz niedrigen Steuersatz bekommen, der, solange wir noch die Gewerbesteuer haben, einschließlich dieser nur 10% ausmachen mag, wenn und soweit die Gewinne nicht ausgeschüttet werden.

 

Und wie soll es im Fall der Ausschüttung von Gewinnen sein?
Das kann dann auf 20% hochgehen. Das heißt, ausgeschüttete Gewinne werden anders besteuert als Gewinne, die nicht ausgeschüttet werden. Das wird mittlerweile auch schon in Estland so gemacht, Lettland wird es jetzt auch einführen, die Polen denken darüber nach, ein solches Besteuerungssystem einzuführen, weil man im Prinzip auf diese Art und Weise Anreize schafft, das Kapital im Unternehmen zu halten, so dass es im Unternehmen weiterarbeiten kann. Das macht Sinn und von daher befürworte ich das. Im Übrigen sollen die derzeitigen Vorteile der GmbH & Co KG weitgehend durch andere Mittel erhalten bleiben.

 

Die Kapitalertragssteuer ist in Deutschland seit eh und je ein heißes Eisen. Wo soll die Reise hier Ihrer Meinung nach hingehen?
Eine Kapitalertragssteuer sollte wie in England vollkommen abgeschafft werden. Hierzulande ist die Kapitalertragssteuer mittlerweile ein Skandal. Sie wird mit 25% erhoben plus Soli, aber nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen sind das 15% oder sogar nur null. Das heißt aber, die Steuer wird zunächst trotzdem voll erhoben. Ausländer brauchen eine Freistellung vom Bundeszentralamt für Steuern oder müssen sich die zu Unrecht erhobene Steuer zurückholen.

 

Aber dann beginnt doch der Ärger erst?
Hinsichtlich der Freistellung muss diese innerhalb von drei Monaten erteilt werden. Es gibt aber ein Merkblatt vom Bundeszentralamt, in dem steht, dass man bitte vor einem Jahr nach Antragstellung nicht nachfragen sollte, was aus der Sache geworden ist. Das allein zeigt, was da los ist. Man bemüht sich zwar im Moment, diesen Rückstand aufzuholen, aber wenn das Amt im Prinzip jeden einzelnen Antrag detailliert überprüfen will, werden die Beamten nie fertig werden. Das Problem wird also bleiben. Am einfachsten ist es deshalb, die Kapitalertragssteuer schlicht und ergreifend abzuschaffen. Damit würde dem deutschen Kapitalmarkt und dem Ansehen der deutschen Finanzverwaltung in der Welt sehr gedient. Im Moment ist das ein Zustand, der unerträglich ist.

 

Würde der völlige Verzicht auf Kapitalertragssteuer nicht ein großes Loch in das Budget des Bundesfinanzministers reißen?
Mit vielen Ländern haben wir unter besonderen Voraussetzungen ohnehin eine Nullsteuer oder sonst 15%. Das heißt, es wird nicht so viel aufgegeben.

 

Viele Jahre waren Sie, was Steuersenkungen anbelangt, ein einsamer Rufer in der Wüste. Die Wahlen stehen bevor. Spüren Sie mehr Rückenwind für Ihre Forderungen als früher?
Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Und zwar deshalb, weil es den internationalen Druck gibt. Das heißt, was in Amerika passiert, wird Auswirkungen haben auf unser Steuersystem, weil wir wettbewerbsfähig bleiben müssen, und das heißt es auch im Steuerbereich.

 

Aber wie finanziert sich der Staat dann noch, wenn nicht mehr so viele Steuern generiert werden können?
Zum einen muss man sehen, dass die Körperschaftsteuer eine nicht sehr hohe Steuer ist. Die wesentlichen Steuern sind die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer und dann allenfalls noch die sonstige Einkommenssteuer.

 

Was muss umgebaut werden, damit sich das selbst finanziert?
Im Prinzip geht es darum, zu identifizieren, wo mehr Steuern generiert werden können. Das ist einmal bei der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer ist in Deutschland bei 19%. Da sind wir im untersten Bereich der EU. Das heißt, der Mittelbereich in der EU kommt auf 21 bis 23%.

 

Lässt sich das in allen Bereichen umsetzen oder sollte es Ausnahmen geben?
Man muss auch sehen, dass es Bereiche der Grundversorgung gibt, die umsatzsteuerlich entlastet werden sollten. Das wäre einmal der Bereich der Vermietung und der Gesundheitssektor. Dass Arzneimittel mit 19% Umsatzsteuer belastet sind, macht keinen Sinn. Ähnliches gilt für die Grundnahrungsmittel, die teilweise auch im Ausland mit einem Null-Steuersatz besteuert werden.

 

Wo gibt es weiteres Steuerpotenzial?
Es wäre zu klären, ob denn die Eingangsprogression in der Einkommensteuer bis zu den höchsten Einkommen durchgehalten werden muss oder ob man nicht ab einem gewissen Betrag diese Eingangsprogression auslaufen lässt.

 

Was heißt das im Detail?
Es ist nicht einsichtig, warum jemand, der 1 Million Euro im Jahr verdient, noch die Eingangsprogression mitbekommt und dadurch Steuerentlastungen hat. Also von daher wäre das auch eine Steueränderung, die sehr viel Geld bringen kann. Es gibt durchaus Bereiche in unserem Steuerwesen, wo Lücken sind oder wo man Entlastungen hat, die vielleicht nicht hundertprozentig gerechtfertigt sind.

 

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