Insolvenzverfahren: Schutzschriften immer beliebter
Schutzschriften sind nicht nur im gewerblichen Rechtsschutz keine Besonderheit mehr. Auch im Vorfeld von möglichen Insolvenzverfahren finden Schutzschriften häufig Anwendung, um rechtzeitig Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Seit Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) 2012 wird gerne auf eine Schutzschrift zurückgegriffen, um die Eigenverwaltung und/oder das Schutzschirmverfahren zu umgehen. Wann eine Schutzschrift sinnvoll sein kann und welche Fallstricke damit verbunden sein können, erläutern Mike Danielewsky, Partner, und Mareike Schwedler, Associate, von DLA Piper.
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Erlangen Gläubiger Kenntnis von einer insolvenznahen Situation ihres Schuldners, so entscheiden sich immer mehr Gläubiger (oftmals auch Kreditinstitute) dazu, eine Schutz-schrift beim zuständigen Insolvenzgericht einzureichen. Dieses Vorgehen verspricht eine Reihe von Vorteilen. So können Gläubiger bereits vor Einleitung des Eröffnungsverfahrens beim Insolvenzgericht die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen anregen. Besonderes Interesse haben Gläubiger erfahrungsgemäß an der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts, einer Postsperre und der Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
Die Erfahrung lehrt, dass die Gefahr von Vermögensverschiebungen zu Lasten der Insolvenzmasse direkt nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens besonders groß ist. Mit der Anordnung vorgenannter Maßnahmen soll dies verhindert werden. Weiterhin nutzen Gläubiger die Schutzschrift, um sich als Mitglied des (vorläufigen) Gläubigerausschusses in Position zu bringen. Denn dieser hat eine beachtliche Funktion, da der Insolvenzverwalter ohne dessen Zustimmung keine besonders bedeutsamen Handlungen vornehmen kann. Dazu zählen beispielsweise die Aufnahme von Darlehen sowie die Veräußerung des Warenlagers oder gar des gesamten Unternehmens.
Konsequenzen des ESUG
Mit Einführung des ESUG wurde nicht nur das Schutzschirm-verfahren eingeführt, auch das Institut der Eigenverwaltung hat an Stärke gewonnen. An beiden Gestaltungen des Insolvenzverfahrens haben Gläubiger, die den (schlechten) Einfluss des Schuldners auf den Fortgang des Verfahrens fürchten, unter Umständen jedoch kein Interesse und suchen deren Anordnung zu verhindern. Gerade Kreditinstitute als oftmals größte Gläubiger können hier entscheidenden Einfluss nehmen. Denn Insolvenzgerichte dürfen die Eigenverwaltung nicht anordnen, wenn wesentliche Gläubiger durch einen substantiierten Vortrag wesentliche Gründe gegen die Anordnung vorbringen können. Zwar kann die Aufhebung der Eigenverwaltung auch nach deren Anordnung noch beantragt werden.
Im laufenden Verfahren muss der Schuldner allerdings in der Regel hierzu angehört werden. Hierdurch verzögert sich das Aufhebungsverfahren unter Umständen beträchtlich. Den gläubigerseits gefürchteten Vermögensverschiebungen zu ihren Lasten kann damit nicht unmittelbar Einhalt geboten werden. Aus diesem Grund suchen viele Gläubiger die Anordnung bereits im Vorfeld zu verhindern. Problematischer ist die Lage der Gläubiger im Schutzschirmverfahren. Da die Einleitung des Schutzschirmverfahrens im Gegensatz zum regulären Insolvenzverfahren und zum Verfahren in Eigenverwaltung nicht öffentlich bekannt gemacht wird, befürchten Gläubiger erfahrungsgemäß, dass wichtige Vorgänge ihrer Kenntnis und ggf. Einflussnahme entzogen sind. Daher haben auch sie ein Interesse daran, die Anordnung des Schutzschirmverfahrens zu verhindern.
Die Schutzschrift im Spannungsfeld von Substantiierungslast und Bankgeheimnis
Grundvoraussetzung jeder erfolgreichen Schutzschrift ist selbstverständlich, dass das jeweilige Insolvenzgericht die Schutzschrift auch berücksichtigt. Obgleich die Zulässigkeit der Schutzschrift umstritten ist, ist weitgehend anerkannt, dass sie nach Verfahrenseröffnung eine Ermittlungspflicht des Gerichts auslöst, sofern sie hinreichend mit konkreten Tatsachen unterlegt ist. Für Kreditinstitute ergibt sich hieraus das Problem, dass sie dieser Substantiierungslast auf der einen Seite nachkommen müssen. Auf der anderen Seite sind sie ihrem Schuldner jedoch zur Wahrung des Bankgeheimnis verpflichtet. Davon dürfte regelmäßig auch die wirtschaftliche Situation des Schuldners als Kernelement der Geschäftsverbindung erfasst sein. Aus diesem Grund ist angeraten, vorsichtig abzuwägen, welche Informationen an das Insolvenzgericht weitergegeben werden.
Denn zu berücksichtigen ist, dass die Schutzschrift Teil der Gerichtsakte im Insolvenzverfahren wird, sollte dieses eröffnet werden. Infolgedessen kann die Schutzschrift dann auch von den Beteiligten am Verfahren eingesehen werden. Nicht zu verkennen ist auch die Bedeutung, die die Schutzschrift für die Situation der Gläubiger im weiteren Verfahren hat. Mit Einreichen der Schutzschrift hat der betreffende Gläubiger dokumentiert, dass er Kenntnis von der insolvenznahen Situation seines Schuldners hat. Diese Kenntnis kann im weiteren Verfahrensverlauf in anfechtungsrechtlicher Hinsicht relevant werden. Da gerade in diesem Zusammenhang unüberschaubare rechtliche Nachteile drohen, empfiehlt es sich immer, die Vorteile der Hinterlegung einer Schutzschrift gegen die Nachteile materiell-insolvenzrechtlicher Natur abzuwägen.
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