„Juden nicht immer nur als Opfer sehen“
Der Wirtschaftsclub Rhein-Main unter Thomas Kremer bewies wieder gutes Gespür. Diesmal bei der Auswahl des Speakers für den Neujahrsempfang am Montagabend in Frankfurt (Sofitel).
Mit Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, trat vor prominenter Kulisse (unter den Gästen u. a. die frühere OB Petra Roth) ein Redner auf, der zur Headline „Antisemitismus gestern und heute“ wie kein anderer die „neuen Herausforderungen für ein altes Problem“ skizzierte. Zugleich wartete der Referent mit aktuellen Statements zur „Höcke-AfD“ und, wie Schuster sich ausdrückte, dem „Dammbruch in Erfurt“ auf. Dies alles in einem Jahr, in dem, so Schuster, der Befreiung von den Nazi-Gräuel vor 75 Jahren gedacht wird und der Zentralrat wie auch der Wirtschaftsclub ihr jeweils 70-jähriges Bestehen feiern.
Schuster warnte vor Verharmlosungen. Unter Anspielung auf zunehmende Ausgrenzungen im Internet sprach er von einem Antisemitismus, der in „die Mitte der Gesellschaft“ vorgedrungen sei. Schuster, ein Würzburger Mediziner, viel undogmatischer als seine Vorgänger und wohl der erste Pragmatiker an der Spitze des Zentralrats, lobt den vor drei Jahren vorgestellten zweiten Antisemitismusbericht einer unabhängigen Expertenkommission im Auftrag des Bundestages. Es müssten aber aus der zutreffenden Analyse nun die richtigen Schlüsse gezogen werden. Schule und Bildung sieht Schuster in einer besonderen Verantwortung. In der historischen Aufarbeitung wünscht sich Schuster, Juden nicht immer nur als Opfer zu sehen. Der immense Beitrag von Juden zu Kultur und Wissenschaft in Deutschland kämen dabei viel zu kurz.