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Kommentar: Gerät jetzt die unternehmerische Freiheit in Gefahr?

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Resignation oder Gegenwehr? Jeder Unternehmer, der mit einem Arbeitskampf konfrontiert ist, wird sich diese Frage heute stellen. Und sie ist im Einzelfall tatsächlich nicht leicht zu beantworten. Die jüngsten Streiks bei der Bahn, der Lufthansa oder der Deutschen Post haben gezeigt, dass sich Unternehmen häufig zur Gegenwehr entscheiden. Möglichkeiten gibt es durchaus, wie Bernd Pirpamer, Partner bei Eversheds in München, kommentiert.

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Wenn ein Unternehmer die Tarifforderung einer Gewerkschaft nicht akzeptieren will oder sogar den Schritt wagt, sein Unternehmen ohne Tarifbindung zu führen, ruft das in der Regel bei Mitarbeitern ebenso wie in der Öffentlichkeit heftige Reaktionen hervor. Dabei geht es gar nicht um die Frage, die Vor- und Nachteile von Tarifverträgen oder -forderungen auf die Waagschale zu legen. Entscheidend ist allein, ob und mit welchen Mitteln Arbeitgeber sich gegen Arbeitskampfmaßnahmen wehren dürfen.

Um seinen Betrieb aufrecht zu erhalten und seine Kunden weiter bedienen zu können, ist es Ziel des Arbeitgebers, Warnstreiks, befristete oder unbefristete Dauerstreiks, Flashmobs oder Unterstützungsstreiks entweder mit gerichtlicher Hilfe zu verhindern und abzubrechen oder sie durch faktische Gegenmaßnahmen quasi ins Leere laufen zu lassen. Auf der Suche nach einem rechtlichen Streikabwehrkonzept, weht dem Arbeitgeber allerdings die Rechtsprechung zum Streikrecht wie ein eisiger Wind entgegen. Zahlreiche Gerichtsentscheidungen zeigen, dass Arbeitgeber einen Streik nur in einigen Fällen durch einstweilige Verfügungen verhindern oder abbrechen können. Streikerprobte Arbeitgeber verlassen sich daher schon lange nicht mehr alleine darauf, einen Streik per Gerichtsentscheidung zu verhindern oder im Nachgang mit einer Schadensersatzklage zu sanktionieren. Vielmehr ergreifen sie außerhalb des Gerichtssaals alle rechtlich vertretbaren Maßnahmen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Wie dies gelingen kann, hängt von der konkreten Streiksituation ab.

Einsatz eigener Arbeitnehmer

Am naheliegendsten ist der Einsatz von arbeitswilligen eigenen Arbeitnehmern, die also dem Streikaufruf der Gewerkschaft nicht folgen, weil sie entweder kein Gewerkschaftsmitglied sind, das Streikziel der Gewerkschaft für sie keine Bedeutung hat oder sie Streiks einfach als unsachgemäß empfinden.

Gewerkschaften und jüngst auch die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bezeichnen sie als „Streikbrecher““. Arbeitswillige Arbeitnehmer und Zeitarbeitnehmer verhalten sich aber vollkommen vertrags- und gesetzeskonform. Selbstverständlich kann jeder Arbeitnehmer von seinem Streikrecht Gebrauch machen. Nimmt ein Mitarbeiter an einem rechtmäßigen Streik teil, ist es dem Arbeitgeber untersagt, ihn hierfür zu sanktionieren oder ihn zur Arbeit zu „zwingen““. Es ist dem Arbeitgeber jedoch nicht verwehrt, die Meinung von Mitarbeitern zu beeinflussen und diese zur Arbeit umzustimmen. Neben einer bloßen Bitte gegenüber seiner Belegschaft darf der Arbeitgeber auch versuchen, Mitarbeiter vom Streik abzuhalten, indem er z. B. Streikbruchprämien in Aussicht stellt. Ein Sonderfall sind frühere staatliche Betriebe wie die Deutsche Post, die zur Streikabwehr zuletzt Beamte eingesetzt hat.

Einsatz von Fremdpersonal

Ist der Arbeitgeber berechtigt, seine eigenen arbeitswilligen Mitarbeiter zur Streikabwehr einzusetzen, muss dies erst recht für den Einsatz von Fremdpersonal gelten. Laut Gesetz steht auch dem Zeit- bzw. Leiharbeiter ein Arbeitsverweigerungsrecht im bestreikten Einsatzbetrieb zu (vgl. S. 5). Will der Zeitarbeitnehmer aber arbeiten und nicht streiken, dann darf er das. Geht es nach den Plänen des Bundesarbeitsministeriums, sollen jedoch Zeitarbeiter generell nicht mehr als „Streikbrecher““ eingesetzt werden dürfen. Im Zusammenspiel mit der ebenfalls geplanten Tarifeinheit, mit der den Spartengewerkschaften bzw. „kleinen““ Gewerkschaften die Streikmacht in Betrieben entzogen wird, würde ein solches Verbot eine deutliche Stärkung der Streikmacht der großen Gewerkschaften bedeuten: Zum einen sollen in Unternehmen nur noch die „großen““ Gesamtgewerkschaften streiken, und zum anderen dürfen Unternehmen keine Zeitarbeitnehmer mehr zur Streikabwehr einsetzen.

Mit einem derartigen Verbot wird den Unternehmen eine der wesentlichsten und effektivsten Reaktionsmöglichkeiten auf einen Streik entzogen. Der Firmenlenker wäre demnach nicht berechtigt, unter Einsatz von arbeitswilligem Fremdpersonal seinen Geschäftsbetrieb fortzusetzen. Weitergedacht wäre der nächste Schritt konsequenterweise das Verbot der Beauftragung von Drittunternehmen, also des Einsatzes von Werk- und Dienstverträgen sowie sonstiger Einschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheiten, soweit hierdurch in irgendeiner Art und Weise der Arbeitskampf beeinträchtigt wird. Bereits heute greifen Unternehmen auf die Arbeitsvermittlung zurück, um die Streikeinsatzverbote, die in den Tarifverträgen der Zeitarbeitsverbände geregelt sind, zu umgehen. Dies wäre allerdings unnötig, da diese Tarifklauseln rechtswidrig und unbeachtlich sind. Gesetzliche und tarifvertragliche Verbote verstoßen offensichtlich gegen die Grundrechte der bestreikten Unternehmen. Es bleibt abzuwarten, welche Rechtfertigung für diese Eingriffe erfolgt. Die Streikmacht zu stärken, um die Kampfparität wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wäre ein gewagtes Argument.

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