Mehr Wettbewerb für die Rüstungsgüterindustrie
"Die EU hat ein sog. „Verteidigungspaket“ geschnürt, um in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit mehr Wettbewerb zu schaffen. Teil dieses Pakets ist – neben einer Vergaberichtlinie – die vor zwei Jahren beschlossene Intra-EU-Rüstungsgüterrichtlinie. Danach muss Deutschland die Ein- und Ausfuhr von Rüstungsgütern innerhalb der EU bis Ende Juni 2011 vereinfachen. Hierzu wird es in diesem Sektor künftig auch ein Zertifizierungsverfahren geben. Um das Verfahren weiter zu konkretisieren, hat die EU-Kommission am 15.1.11 eine Empfehlung veröffentlicht. Unternehmen, die im Rüstungssektor tätig sind, sollten sich möglichst frühzeitig mit den Neuerungen vertraut machen, empfiehlt Matthias von Kaler, Managing Associate der Anwaltssozietät Linklaters.
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Die EU hat ein sog. „Verteidigungspaket“ geschnürt, um in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit mehr Wettbewerb zu schaffen. Teil dieses Pakets ist – neben einer Vergaberichtlinie – die vor zwei Jahren beschlossene Intra-EU-Rüstungsgüterrichtlinie. Danach muss Deutschland die Ein- und Ausfuhr von Rüstungsgütern innerhalb der EU bis Ende Juni 2011 vereinfachen. Hierzu wird es in diesem Sektor künftig auch ein Zertifizierungsverfahren geben. Um das Verfahren weiter zu konkretisieren, hat die EU-Kommission am 15.1.11 eine Empfehlung veröffentlicht. Unternehmen, die im Rüstungssektor tätig sind, sollten sich möglichst frühzeitig mit den Neuerungen vertraut machen, empfiehlt Matthias von Kaler, Managing Associate der Anwaltssozietät Linklaters.
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Der freie Warenverkehr, der zu den vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarkts zählt, hat bislang nicht dazu geführt, dass Rüstungsgüter innerhalb der EU genauso leicht ein- und ausgeführt werden können wie nicht-militärische Produkte. Der Grund hierfür: Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEU-Vertrag) gestattet den Mitgliedstaaten Beschränkungen des freien Warenverkehrs, die dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen. Die Mitgliedstaaten konnten den Verkehr mit Rüstungsgütern also einschränken, ohne gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs zu verstoßen. Die Intra-EU-Rüstungsgüterrichtlinie zielt darauf ab, die Regelungen der Mitgliedstaaten so anzugleichen, dass die innergemeinschaftliche Verbringung von Rüstungsgütern vereinfacht und damit sichergestellt wird, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert. Sie gilt nicht unmittelbar, sondern muss von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Deutschland wird dafür das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung ändern müssen.
Ablauf der Zertifizierung
Das Zertifizierungsverfahren steht im Mittelpunkt der Änderungen. Danach können sich Unternehmen, die ihren Sitz in der EU haben, als Empfängerunternehmen von Rüstungsgütern zertifizieren lassen. Die zertifizierten Unternehmen werden in ein von der Kommission eingerichtetes, für jeden zugängliches Zentralregister aufgenommen. Lieferanten werden beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine sog. Allgemeingenehmigung beantragen können. Mit dieser dürfen sie Rüstungsgüter bestimmter Kategorien an zertifizierte Empfängerunternehmen liefern, ohne dafür jeweils eine Ausfuhrgenehmigung beantragen zu müssen. Die Zertifizierung der BAFA bescheinigt, dass das Unternehmen zuverlässig und insbesondere fähig ist, die Ausfuhrbeschränkungen für die von ihm erworbenen Rüstungsgüter einzuhalten. Dadurch soll verhindert werden, dass Rüstungsgüter über einen anderen Mitgliedstaat in ein Land außerhalb der EU gelangen, in das sie zum Schutz der Menschenrechte oder der Stabilität nicht ausgeführt werden dürfen. Die Zuverlässigkeit soll anhand von sechs Kriterien geprüft werden. Vor allem muss das Unternehmen seine „Erfahrung im Bereich der Verteidigung“ belegen und nachweisen, dass es bislang die einschlägigen Ausfuhrbeschränkungen eingehalten hat. Darüber hinaus muss es im Zertifizierungsantrag sein internes Programm zur Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften beschreiben, zu dem u. a. interne Prüfverfahren, Schulung und Dokumentation gehören. Der Spielraum, den der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie hat, ist gering, da ihre Regelungen sehr detailliert sind. Da-rüber hinaus hat die Kommission die Vorgaben zur Zertifizierung in ihrer Empfehlung weiter konkretisiert. Danach sollen für die Zertifizierung nur Hersteller von Rüstungsgütern in Betracht kommen – also solche Unternehmen, die die erworbenen Rüstungsgüter für ihre eigene Produktion verwenden und sie nicht weiterleiten oder ausführen. Entweder wird das Unternehmen als Ganzes oder ein Geschäftsbereich zertifiziert. Die Empfehlung beschreibt auch Maßnahmen, durch die das Unternehmen sicherstellen kann, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten – u. a. „Einhaltungs-Handbücher“, ein internes Revisionsprogramm, Aufzeichnungen über Verstöße, die Klassifizierung der Güter sowie Schulungen der verantwortlichen Mitarbeiter.
Verteidigungspaket für mehr Wettbewerb
Die Intra-EU-Rüstungsgüterrichtlinie gehört zu einem „Verteidigungspaket“ der EU, das als zweiten Bestandteil eine Vergaberichtlinie vom 13.7.09 enthält, die mehr Wettbewerb in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit schaffen soll. Ebenfalls gestützt auf eine Ausnahmebestimmung im AEU-Vertrag haben die Mitgliedstaaten die Beschaffungen von Rüstungsgütern weitgehend vom Vergaberecht ausgenommen. Dieser Zustand soll durch die Vergaberichtlinie beendet werden, die von den Mitgliedstaaten bis zum 21.8.11 umzusetzen ist. Angestrebt wird der schrittweise Aufbau eines echten europäischen Markts für Verteidigungsgüter. Danach sind Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge im Rüstungsbereich europaweit auszuschreiben, wenn sie bestimmte Schwellenwerte erreichen (Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 412 000 Euro; Bauaufträge: 5,15 Mio. Euro). Die beiden Richtlinien werden zu einheitlichen, transparenten und wettbewerbsorientierten Regeln für den Handel und die Auftragsvergabe im Rüstungssektor innerhalb der EU führen. Die Rüstungsbranche hat die Neuerungen begrüßt und darauf hingewiesen, dass die bisherigen Hindernisse jährliche Kosten von über 3 Mrd. Euro verursacht haben.
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