Mitbestimmung droht Ausweitung
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Leiharbeitnehmer haben seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes zwar ein aktives Wahlrecht, wenn sie länger als drei Monate beim Entleiher eingesetzt werden. Bei der Mitarbeitersumme blieben sie aber im Gesetz außen vor. Das BAG habe nun den Grundsatz „Leiharbeiter wählen, aber zählen nicht mit““ auch im Mitbestimmungsrecht gekippt, betont Christoph Kurzböck, Arbeitsrechtsexperte bei Rödl & Partner. Damit würde die Mitbestimmung in Deutschland über den Hebel der Rechtsprechung immer stärker ausgeweitet, betont Kurzböck. Schon 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht einen Kurswechsel eingeleitet.
Überlassene Arbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleihbetrieb arbeiten, müssten bei der Feststellung der Belegschaftsstärke nach dem Betriebsverfassungsgesetz mitgezählt werden (Az.: 1 AZR 335/10). Für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens mache es keinen Unterschied, ob der Personalbedarf durch interne oder externe Mitarbeiter gedeckt wird, argumentierten die Erfurter Richter. Seit 2013 werden Leiharbeiter auch für die Ermittlung des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes sowie bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrats mitgezählt, weil sich die Aufgaben des Betriebsrats sich an den tatsächlich Beschäftigten, und nicht nur an den Arbeitnehmern des Betriebes orientieren.
Im Februar entschied zudem das Landgericht Frankfurt, bei den Schwellenwerten zur Mitbestimmung im Aufsichtsrat seien auch Arbeitnehmer der ausländischen Gesellschaften zu berücksichtigen (Az.: 3-16 O 1/14). Die schleichende Erweiterung der Mitbestimmung würde der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers widersprechen, eine Stabilität der jeweiligen Mitbestimmungsform zu garantieren. Leiharbeiter zu den Beschäftigten zu zählen, könne zu einem ständigen Wechsel der Mitbestimmungsform führen, warnt Arbeitsrechtsexperte Kurzböck.
Bis zu einer Korrektur durch den Gesetzgeber müssten Unternehmen umdenken. Leiharbeitnehmer müssten nun auch bei den weiteren Schwellenwerten nach dem Drittelbeteiligungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz berücksichtigt werden, betont Grätz. Unternehmen, die bisher nach ihren Berechnungen weniger als 500 Arbeitnehmer – und somit keinen Aufsichtsrat – bzw. weniger als 2 000 Arbeitnehmer – und somit keinen paritätisch besetzten Aufsichtsrat hatten – müssten ihre Corporate Governance anpassen. Es ist mit zahlreichen Statusverfahren seitens der Gewerkschaften bzw. Betriebsräte zu rechnen. Die Bundesregierung sollte diese Rechtsunsicherheit schnellstmöglich beseitigen.
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