Nur mit Neuwahlen ließe sich das Brexit-Votum rückgängig machen
Nach dem unerwarteten Brexit-Entscheid haben sich am Montag überraschend auch noch die englischen Nationalkicker aus der Fußball-EM verabschiedet. Geschlagen von wacker kämpfenden Isländern. Allmählich scheint auch der an den besten Universitäten des Landes ausgebildeten Polit-Elite in London zu dämmern, was sie mit dem aus purem Machtkalkül leichtfertig angesetzten Brexit-Referendum angerichtet hat.
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Bei den regierenden Konservativen ist ein erbitterter Machtkampf um die Nachfolge des amtierenden Premier David Cameron, der mit dem Brexit-Referendum seine Wiederwahl sichern wollte und nun seinen Rücktritt angekündigt hat, ausgebrochen. Das Tory-Establishment wehrt sich gegen einen Durchmarsch des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson, der nur deshalb zum Brexit-Vorkämpfer mutierte, um Cameron zu beerben, an die Partei- und Regierungsspitze. Nicht minder heftig tobt bei der oppositionellen Labour Party eine Palastrevolte gegen den farblosen Jeremy Corbyn, der nach der Wahlschlappe im vergangenen Jahr durch eine Urwahl an die Parteispitze gespült wurde und einen sturen Linkskurs verfolgt.
Es scheint, als ob die Gewinner des Brexit-Referendums Angst vor der eigenen Courage bekommen haben. Anders lässt es sich kaum erklären, dass es selbst der ansonsten so forsche Johnson mit seinem Austrittsantrag plötzlich nicht mehr eilig hat. Doch einfach aussitzen lässt sich das knappe, aber gleichwohl demokratisch zustande gekommene Exit-Votum nicht. Viel wird in den kommenden Wochen vom Ausgang der Machtkämpfe bei den Konservativen und Labour abhängen. Sollte sich beim Ringen um die Cameron-Nachfolge ein ausgewiesener Brexit-Gegner wie Schatzkanzler George Osborne gegen Johnson durchsetzen, könnten die Brexit-Karten vielleicht noch einmal neu gemischt werden.
Ein zweites Referendum käme allerdings einer Farce gleich. Der neue Premier könnte jedoch Neuwahlen ausrufen, um einen Verbleib Großbritanniens in der EU zu legitimieren. Wie ein solcher Parforceritt funktionieren kann, hat ausgerechnet der griechische Premier Alexis Tsipras schon einmal vorgemacht. Vor ziemlich genau einem Jahr ließ Tsipras auf dem Höhepunkt des Schulden-Streits mit den Gläubigern die Griechen in einer emotional aufgeheizten Volksabstimmung gegen die Reform-Auflagen votieren, um sich kurz danach per Neuwahl ein noch härteres Sparpaket absegnen zu lassen.
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