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Rechtsprechung eröffnet Softwarepatenten Chancen

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Neue Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, des US Supreme Court und der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes haben zu einer Annäherung der bislang sehr unterschiedlichen Patentierungsmöglichkeiten für Software in Deutschland, den USA und Europa geführt. Julia Schönbohm und Daniel Kendziur, Spezialisten für Patentrecht bei der internationalen Sozietät DLA Piper, erläutern die aktuellen Entwicklungen.

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In der Vergangenheit variierten die Voraussetzungen zur Erteilung von Softwarepatenten sehr. In den USA war man mit der Erteilung von Patenten schon immer sehr großzügig. Bekannt ist insbesondere das Patent, das für das One-Click-Verfahren von Amazon zum Abschluss eines Kaufvertrags erteilt wurde. Deutlich zurückhaltender war man mit der Erteilung von Softwarepatenten in Deutschland und Europa. Es ist sogar gesetzlich verankert, dass kein Patentschutz für Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche erlangt werden kann. Ausgeschlossen werden soll, dass eine Erfindung, die ohne die Benutzung eines Computers nicht patentierbar wäre, durch den Einsatz eines Computers patentfähig wird. Entscheidend ist daher, zwischen einer ohne Computereinsatz nicht patentierbaren Erfindung und einem Programm zu unterscheiden, das einen technischen Beitrag leistet, der Patentschutz verdient. Diese Abgrenzung bereitet in der Praxis große Probleme.

Der United States Court of Appeals for the Federal Circuit (CAFC) entwickelte dafür den „Machine-or-Transformation-Test“. Danach ist eine computerimplementierbare Erfindung patentierbar, wenn der beanspruchte Prozess mit einer bestimmten Maschine verbunden ist oder einen bestimmten Gegenstand in einen anderen Zustand umwandelt. Der Test wurde zunächst sehr großzügig angewandt, bis der CAFC 2008 in der Rechtssache „In Re Bilski“ die Erteilung eines Patents für eine Geschäftsmethode ablehnte. Das Verfahren, mit dem Preisschwankungen für allgemein verfügbare Güter vorhergesagt werden sollten, führe nicht zur Transformation eines Gegenstandes in einen anderen Zustand oder eine andere Sache. Der Supreme Court hat die Entscheidung bestätigt und ausgeführt, dass es sich außerdem um eine nicht patentfähige abstrakte Idee handele.

Technischer Charakter
Der Bundesgerichtshof und das Europäische Patentamt haben hingegen die Erteilungsvoraussetzungen für Softwarepatente gelockert. Das Bundespatentgericht hatte noch im Jahr 2008 die Erteilung eines Patents für ein Verfahren zur dynamischen Dokumentengenerierung abgelehnt. Der Bundesgerichtshof hat das jetzt mit der Begründung revidiert, dass Leitrechner und Client eine komplexe Datenverarbeitungsanlage bildeten. Einer Datenverarbeitungsanlage, die in bestimmter Weise programmtechnisch eingerichtet sei, komme technischer Charakter zu. Die zum Patent angemeldete technische Lehre sei nicht als Programm für Datenverarbeitungsanlagen vom Patentschutz ausgeschlossen. Die Anmeldung enthalte verfahrensbestimmende Anweisungen, die die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben.

Leitlinien
Die neuen Leitlinien für Softwarepatente in Deutschland lassen sich wie folgt umschreiben:

  • Eine programmbezogene Lehre ist schutzfähig, wenn die Lösung des konkreten technischen Problems neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
  • Außerhalb der Technik liegende Anweisungen sind nur in dem Umfang von Bedeutung, in dem sie auf die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln Einfluss nehmen.
  • Es genügt, wenn der Ablauf eines Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt.
  • Wirken Elemente eines Datenverarbeitungssystems unmittelbar zusammen, liegt ein Verfahren technischer Natur vor, ohne dass es darauf ankäme, ob es in der Ausgestaltung, in der es zum Patent angemeldet wird, durch technische Anweisungen geprägt ist.

Eine im Mai 2010 ergangene Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes geht in dieselbe Richtung. Diese hat die Patentfähigkeit von Computerprogrammen bestätigt, sofern diese einen Beitrag zur technischen Lösung eines technischen Problems liefern.

Erfindern und Patentanmeldern von Software ist deshalb zu raten, das zu Grunde liegende technische Problem mit dem Einsatz technischer Mittel zu lösen. Das geschieht am besten in Form eines grundsätzlichen Konzepts. In der genannten Entscheidung bejahte der Bundesgerichtshof ein solches Konzept, weil sich dieses für die Generierung dynamischer Dokumente nicht an den Programmierer, sondern an den Systemdesigner wende, der die Gesamtarchitektur des Datenverarbeitungssystems im Auge habe.
Es ist dennoch fraglich, ob Softwarepatente trotz der höheren Erteilungschancen eine große Rolle spielen werden. Aufwand und Kosten sind erheblich, und die Schutzdauer ist auf 20 Jahre beschränkt. Deshalb dürfte sich die Beantragung nur für bahnbrechende Softwareentwicklungen lohnen.

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