Allgemein

Reform der Insolvenzanfechtung – Praxisrelevanz des Gesetzentwurfes umstritten

Die Insolvenzordnung (InsO) strebt die Maximierung des haftenden Schuldnervermögens und die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger als primäres Verfahrensziel an, unter anderem durch das Instrument der Insolvenzanfechtung, erklärt Jan Gerrit Kehbel, Leiter der Praxisgruppe Krisen- und Sanierungsberatung bei KPMG Law.

Nach § 130 InsO kann ein Insolvenzverwalter eine Rechtshandlung, die zur Befriedigung eines Gläubigers geführt hat, anfechten. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen. Zudem muss die gezahlte Leistung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolgt sein. Bei erfolgreicher Insolvenzanfechtung ist der Gläubiger verpflichtet, das aus dem Schuldnervermögen Erlangte wieder zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.

Den Vertrauensschutz eines gutgläubigen Leistungsempfängers hat der IX. Zivilsenats des BGH in den vergangenen Jahren zu Gunsten des Schuldners deutlich eingeschränkt, insbesondere bei der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO. Hierdurch kann die Anfechtung Leistungen erfassen, die bis zu zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgten. Während die Vorschrift früher lediglich in Sachverhalten Anwendung fand, bei denen der Schuldner seine Gläubiger absichtlich benachteiligte, reicht es heute schon aus, wenn drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Zugleich sieht die Rechtsprechung eine notwendige Kenntnis des Gläubigers bereits dann als gegeben an, wenn der Schuldner um Stundung gebeten hat oder Ratenzahlungen vereinbart wurden.

Diese Rechtsprechung führt in vielen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, die in einzelnen Fällen den Anfechtungsgegner selbst in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden können. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat deshalb am 16.3.2015 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz vorgelegt. Kernpunkt der geplanten gesetzlichen Neuregelung ist die Einführung eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals der Unangemessenheit der Gläubigerbenachteiligung.

Zudem soll die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz nicht mehr allein daraus gefolgert werden, dass er mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung abgeschlossen oder der Schuldner den Anfechtungsgegner in geschäftsüblicher Weise um eine Zahlungserleichterung gebeten hat. Ob der Gesetzentwurf überhaupt dem Ziel gerecht werden kann, die Praxis der Insolvenzanfechtung für den Geschäftsverkehr kalkulierbarer zu machen, ist durchaus umstritten. Fest steht, dass Sachverhalte aus der Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes von den Reformbestrebungen nicht profitieren werden.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse