Regierung sorgt bei Entwurf der GWB-Novelle für eine Überraschung
Darin hatte der Gerichtshof auf ein Vorlageersuchen des Amtsgerichts Bonn hin festgestellt, dass das jeweilige nationale Gericht bei der Entscheidung über das Akteneinsichtsbegehren unter Abwägung der unionsrechtlich geschützten Interessen zu bestimmen habe, unter welchen Voraussetzungen Einsicht in den Kronzeugenantrag sowie die zugehörigen Beweismittel zu gewähren oder zu verweigern sei.
„Nach dem EuGH-Urteil ist unklar, ob die nationalen Gesetzgeber selbst eine pauschale Interessenabwägung vornehmen und sich damit für oder gegen ein Akteneinsichtsrecht entscheiden dürfen, oder ob das nationale Recht Raum für eine Einzelfallabwägung durch die Gerichte lassen muss“, so Daniel Dohrn, Kartellexperte der Kanzlei Oppenhoff & Partner. Die Kartellbehörden befürchten, dass im Falle der Gewährung von Einsicht in Kronzeugenanträge die Effektivität ihrer Kronzeugenprogramme beeinträchtigt wird. Aus diesem Grund sollte ein Akteneinsichtsrecht in Kronzeugenanträge sowie die mitgelieferten Beweismittel ursprünglich ausgeschlossen werden.
„Personen oder Unternehmen, die durch ein Kartell geschädigt wurden, könnten die im Kronzeugenantrag enthaltenen Informationen zur Substantiierung ihrer Schadensersatzklagen nutzen“, so Dohrn weiter. „Die Chance, durch einen Kronzeugenantrag einen Erlass oder eine Reduktion der wegen eines Kartellverstoßes drohenden Geldbuße zu erreichen, könnte in diesem Fall durch die Erhöhung des Risikos erfolgreicher Schadensersatzprozesse konterkariert werden.“