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Sanktionslücke bei der Bußgeldhaftung

Am 10.8.11 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die kartellrechtliche Bußgeldhaftung nur im Ausnahmefall auf den Rechtsnachfolger derjenigen Gesellschaft erstreckt werden kann, deren Organe oder sonstige Leitungspersonen kartellrechtswidrig gehandelt haben.

Eine Haftungserstreckung ist nur im Falle der Gesamtrechtsnachfolge und zudem nur dann möglich, wenn das haftende Vermögen der kartellbeteiligten Gesellschaft mit dem Vermögen ihres Gesamtrechtsnachfolgers identisch oder nahezu identisch ist. Eine solche wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn das haftende Vermögen weiterhin vom Vermögen des gemäß § 30 OWiG Verantwortlichen getrennt, in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt wird und einen wesentlichen Teil des Vermögens des Gesamtrechtsnachfolgers bildet. Einer weitergehenden Erstreckung der Bußgeldhaftung steht nach Auffassung des BGH angesichts des klaren Wortlauts von § 30 OWiG das verfassungsrechtlich garantierte Analogieverbot entgegen.

„Ein Kernaussage der Entscheidung lautet: Kartellbehörden haben sich ungeachtet eines Sanktionsbedürfnisses an die rechtsstaatlichen Schranken des Kartellbußgeldverfahrens zu halten“, meint Philipp Cotta, Partner bei Beiten Burkhardt. Fehlt es – wie im Falle von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen des kartellbeteiligten Unternehmens – an einer gesetzlichen Regelung, um die Bußgeldhaftung auf den Rechtsnachfolger zu erstrecken, kann kein Bußgeld festgesetzt werden. Dies gilt nach Auffassung des BGH selbst dann, wenn die Umstrukturierung durchgeführt wurde, um sich einem drohenden Bußgeld zu entziehen. „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers“, so Cotta, „nicht der Kartellbehörden oder Gerichte, diese Sanktionslücke zu schließen.“

Der Gesetzgeber hat sich dieser Aufgabe im Rahmen der für Januar 2013 geplanten 8. GWB-Novelle angenommen. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung ist die Haftungserstreckung auf den Rechtsnachfolger in einer Vielzahl von Fällen nicht möglich. Dies betrifft etwa Umstrukturierungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Asset Deal), der Verschmelzung zweier annähernd gleich großer Unternehmen oder der Aufspaltung.

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