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„Strategische Optionen möglichst frühzeitig prüfen“

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Gemeinsame Betriebsprüfungen oder Joint Audits sollen an Bedeutung gewinnen. Das hat vor wenigen Wochen ein führender Vertreter der US-Steuerverwaltung verkündet. Das Ziel sei eine über bloße Kooperation hinausgehende Koordination zwischen den Finanzverwaltungen verschiedener Länder. Deutschland ausdrücklich eingeschlossen. Ergeben sich für die betroffenen Unternehmen hieraus nur Risiken oder auch Chancen? Ulrich Ransch, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Baker & McKenzie und spezialisiert auf Steuerstreitverfahren, nimmt Stellung.

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Die grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Finanzverwaltungen verschiedener Länder bei Betriebsprüfungen ist gängige Praxis. Im einfachsten Fall werden Informationen über Steuerpflichtige im Inland an ausländische Finanzverwaltungen gegeben und umgekehrt. Immer zahlreicher werden allerdings Betriebsprüfungen, bei denen Gesellschaften eines international operierenden Konzerns gleichzeitig in mehreren Ländern geprüft werden. Die Finanzverwaltungen der beteiligten Länder tauschen dann ihre Erkenntnisse untereinander aus – oft ohne dass die betroffenen Unternehmen davon zunächst etwas ahnen. Bei gemeinsamen Betriebsprüfungen gehen die Finanzbehörden sogar noch einen Schritt weiter: Hier nimmt der ausländische Betriebsprüfer direkt an der inländischen Betriebsprüfung teil, wenngleich formal meist nur als Beobachter. Die inländischen Betriebsprüfer prüfen dann nicht mehr nur im Interesse des inländischen, sondern auch des ausländischen Fiskus. Ziel ist die Aufdeckung „missbräuchlicher Steuerstrukturen“ im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zwischen nahestehenden Unternehmen. Dabei geht es etwa um Fälle der Doppel-Nichtbesteuerung oder um die Identifizierung von Diskrepanzen zwischen Form und Substanz.

Risiken für betroffene Unternehmen

Natürlich steigt das Risiko der Aufdeckung und Nichtanerkennung „aggressiver“ oder sogar „missbräuchlicher“ Steuerplanung, wenn eine Struktur nicht nur aus der Sicht einer, sondern von zwei oder mehr beteiligten Konzerngesellschaften in verschiedenen Ländern beurteilt wird. Nicht selten erweist sich darüber hinaus eine für die inländische Konzerngesellschaft sinnvolle Verteidigungsstrategie als nachteilig für die Schwestergesellschaft im Ausland. Fehlt es aber an einer abgestimmten Verteidigung, überwiegt der Nachteil in einem leicht den Vorteil im anderen Land. Wird schließlich die konzernweite Steuerplanung als missbräuchlich qualifiziert, ist der Steuerstreit programmiert, oft auf Jahre hinaus mit offenem Ende und möglicherweise gleichzeitig in mehreren Ländern.

Vorbereitung und Verteidigungsstrategie

Internationale Betriebsprüfungen erfordern eine besondere Vorbereitung. Hierzu gehört zunächst die Information an andere Konzerngesellschaften im Ausland über Umfang und Fokus angekündigter Betriebsprüfungen. Zur Vorbereitung gehört auch die Identifikation möglicher Risiken, die häufig erst aus dem direkten Vergleich mit dem Ausland erkannt werden können. Wichtig ist darüber hinaus die Bestimmung einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie mit dem Ziel der Minimierung der Betriebsprüfungsrisiken des Konzerns, nicht notwendigerweise einzelner Konzerngesellschaften. Zu denken ist außerdem an die Einrichtung von Datensperren, insbesondere in den Ländern, in denen die Betriebsprüfer elektronisch auf Unternehmensdaten zugreifen dürfen und dies regelmäßig auch verlangen. Schließlich sind möglichst früh strategische Optionen zu prüfen: In welchem Land kann der Steuerstreit, in welchem sollte besser der Kompromiss gesucht werden? Geht es um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für den Konzern, die letztlich vom höchsten nationalen Gericht, vielleicht sogar vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu entscheiden sind? In welchem Land sollte der Fall dann rechtshängig gemacht werden, um möglichst schnell und effizient zum EuGH zu kommen? Und: Bestehen in einzelnen Ländern möglicherweise strafrechtliche Risiken, die es unter allen Umständen zu vermeiden gilt? Diese und ähnliche Fragen können nur aus der Sicht des Konzerns insgesamt, nicht bloß einzelner Gesellschaften optimal beantwortet werden.

Zentralisierung und Informationsaustausch

Die Anforderungen an das Management internationaler Betriebsprüfungen sind einfach beschrieben, wenngleich in der Praxis häufig schwierig umzusetzen: Zentralisierung, laufender Informationsaustausch zwischen den betroffenen Konzerngesellschaften über den Status, den Fokus und die Feststellungen der jeweiligen nationalen Betriebsprüfer sowie die laufende Anpassung der gemeinsamen Verteidigungsstrategie und der strategischen Optionen. Je länger Betriebsprüfungen dauern, desto wichtiger werden außerdem die Suche nach Einigungsmöglichkeiten und der Einsatz von Schieds- oder Verständigungsverfahren, die regelmäßig schon dann beantragt werden können, wenn eine Doppelbesteuerung absehbar ist.

Chancen

Wo viel Schatten, ist auch Licht. So kann der Steuerpflichtige, wie im deutschen Recht vorgesehen (§ 204 AO), im Anschluss an internationale Betriebsprüfungen auf verbindliche und länderübergreifend abgestimmte Zusagen drängen, wie geprüfte Sachverhalte künftig behandelt werden. Bi- oder multilaterale Advance Pricing Agreements sind hierfür ein Beispiel. Das schafft Rechtssicherheit, vermindert Steuerrisiken und liegt letztlich auch im Interesse der Finanzverwaltungen.

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