Übernahmen: Asset Deals als echte Alternative?
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Aktuelles Beispiel ist der Verkauf von Kliniken und Versorgungszentren der Rhön-Klinikum AG an Fresenius. Welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind, erläutern Christoph Vaupel und Lars-Gerrit Lüßmann, Partner bei Taylor Wessing.
Die Veräußerung von Vermögensgegenständen bzw. Unternehmensbereichen einer AG ist eine Geschäftsführungsmaßnahme, die in die alleinige Kompetenz des Vorstands fällt. Aktionäre haben dabei grundsätzlich kein Mitspracherecht. Allerdings kann ein solcher Asset Deal aufwendig und ggf. auch gegenüber dem Erwerb (einer Mehrheit) der Aktien nachteilig sein. So fallen bei der Aufdeckung stiller Reserven Kapitalertrags- und Gewerbesteuern sowie bei der Übertragung von Grundvermögen Grunderwerbssteuern an. Auch sind Change of Control-Klauseln auf der Ebene unterhalb der Konzernmutter zu beachten, wodurch die Übertragung der Vermögensgegenstände der Zustimmung Dritter unterliegen kann.
Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung
In Ausnahmefällen muss die Hauptversammlung auch einem Asset Deal zustimmen: Gemäß § 179a AktG muss eine qualifizierte Mehrheit bestehen, wenn das „gesamte“ Gesellschaftsvermögen verkauft werden soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist dafür keine „restlose“ Übertragung aller Vermögensgegenstände der Gesellschaft erforderlich. Sofern nur unwesentliche Teile des Gesellschaftsvermögens bei dem Verkäufer verbleiben, gilt auch dies als Veräußerung des „gesamten“ Vermögens. Ist die Gesellschaft aber auch nach der Veräußerung weiterhin in der Lage, den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand auszufüllen, unterliegt die Veräußerung nicht der Zustimmung der Aktionäre.
Dem Vorstand steht es gemäß § 119 AktG stets frei, Geschäftsführungsmaßnahmen freiwillig der Hauptversammlung zur Abstimmung vorzulegen. Nach dem BGH gibt es aber Situationen, in denen sich dieses Ermessen des Vorstands auf Null reduziert und dieser mithin zur Vorlage verpflichtet ist (Entscheidungen “Holzmüller“ und “Gelatine“). Der BGH betont jedoch, dass diese ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz nur ausnahmsweise und in engen Grenzen, insbesondere erst bei Überschreiten bestimmter Wesentlichkeitsschwellen, anzuerkennen ist. Erforderlich ist hierfür zunächst ein mit der Maßnahme einhergehender sog. Mediatisierungseffekt. Ein solcher liegt bei Konzernbildungsmaßnahmen vor, also wenn zum Beispiel wesentliche Teile des Betriebsvermögens auf eine Tochtergesellschaft übertragen und so die Einflussmöglichkeit der Aktionäre verkürzt wird; denn hierdurch werden Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung faktisch auf den Vorstand verlagert. Dieser könnte nämlich dann ohne Mitwirkung der Hauptversammlung maßgebliche Entscheidungen auf Ebene der Tochtergesellschaft treffen. Bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen tritt ein solcher Mediatisierungseffekt indes gerade nicht ein, so dass die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze darauf keine Anwendung finden. Das Gesellschaftsvermögen wird dem Einfluss der Aktionäre nicht entzogen.
Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit zieht die Rechtsprechung Kriterien wie Aktiva, Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern, Mitarbeiterzahl, Anlagevermögen sowie den Substanzwert des Vermögens heran. Eine schematische Bestimmung anhand bestimmter Kennziffern wird jedoch überwiegend zu Gunsten einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall abgelehnt. Betroffen müssten aber mindestens 70-75% des Unternehmens sein. Schließlich kommt eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz in Betracht, wenn die Gesellschaft ihren Satzungszweck nicht mehr vollständig erfüllen kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn einer von zwei Geschäftszweigen vollständig veräußert wird.
Nichtig oder wirksam?
Wird das gesamte Gesellschaftsvermögen ohne Zustimmung der Hauptversammlung veräußert, so ist dieses Rechtsgeschäft nichtig. Wollte man die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze auch auf Veräußerungsvorgänge anwenden, dann wäre das Rechtsgeschäft auch ohne einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss wirksam, selbst wenn die relevanten Schwellenwerte überschritten wären. Der Vorstand würde sich aber ggf. schadensersatzpflichtig machen, wobei in der Regel der Nachweis eines Schadens kaum zu führen sein dürfte.
Anstelle eines Übernahmeangebots kann eine Zielgesellschaft damit alternativ auch wesentliche Vermögensgegenstände rechtlich zulässig ohne die Zustimmung der Aktionäre an einen Bieter veräußern. Einer der Nachteile dabei ist jedoch, dass nicht das gesamte Vermögen der Gesellschaft ohne Zustimmung der Hauptversammlung veräußert werden kann, sondern ein überlebensfähiger Kernbereich mit hinreichender Substanz zurückbleiben muss. Eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz ist bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen abzulehnen, solange ein solcher überlebensfähiger Kernbereich bei der Gesellschaft verbleibt.
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