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Unbefristetem Widerrufsrecht bei Immobiliendarlehen droht das Aus

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Bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen konnten Verbraucher ihren Immobilienkredit bisher auch noch Jahre nach Vertragsabschluss widerrufen. In solchen Fällen, die bei Vertragsabschlüssen zwischen 2002 und 2010 sehr häufig vorkamen, begann die 14-tägige Widerrufsfrist nämlich gar nicht erst zu laufen. Aber dieses „ewige"" Widerrufsrecht („Widerrufsjoker"") soll nun laut einem Gesetzentwurf der Bundesregierung bald wegfallen. Das würde zahlreiche Kreditnehmer treffen, da ihnen ein wichtiges Instrument genommen würde, um aus fehlerhaften Verträgen auszusteigen, erklärt André Tittel von der Kanzlei Kälberer & Tittel.

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Hubert Schmidt hat im Dezember 2008 eine Eigentumswohnung gekauft und dafür bei der Bank ein Darlehen von 300 000 Euro aufgenommen – mit einem Nominalzins von 4,50% und zehnjähriger Zinsbindung. Heute beträgt seine Restschuld noch etwa 230 000 Euro. Er würde nun gerne die derzeit sehr niedrigen Kreditzinsen nutzen, aber sein Darlehen läuft erst Ende 2018 aus. Im Internet hat er von dem so genannten „Widerrufsjoker““ gehört – und dass in den Verträgen damals oft fehlerhafte Widerrufsbelehrungen standen. Er kontaktiert einen mit diesem Rechtsgebiet vertrauten Anwalt und gibt ihm die Vertragsunterlagen zur Prüfung. Dabei stellt sich tatsächlich heraus, dass die Widerrufsbelehrung mit der Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung““ fehlerhaft war, da das Wort „frühestens““ Unklarheit erzeugt und fälschlicherweise suggeriert, die Frist könne eventuell auch später beginnen.

Nach Verhandlungen mit der Bank gibt diese nach und akzeptiert einen vorzeitigen Darlehensausstieg ohne Vorfälligkeitsentschädigung. Zuvor hat Herr Schmidt bei einer anderen Bank bereits eine Zusage für einen neuen Darlehensvertrag über 230 000 Euro eingeholt, um den Altkredit kurzfristig ablösen zu können. Durch den in dieser Anschlussfinanzierung sehr niedrigen Nominalzins von 1,50% spart er jährlich mehrere Tausend Euro und ist nun mit einer Darlehens-Laufzeit bis Ende 2025 auf der zinsgünstigen Seite.

Der hier beschriebene (fiktive) Fall zeigt, worum es beim Darlehenswiderruf geht und dass er finanziell große Vorteile bringen kann. Fehler in der Widerrufsbelehrung können wie in unserem Beispiel in den Angaben zum Fristbeginn liegen, aber auch andere Ursachen haben. Es sind auch nicht nur Immobiliendarlehen betroffen, sondern z. B. auch Darlehen, die im Zusammenhang mit Fondsinvestments oder Lebensversicherungsverträgen aufgenommen wurden.

Seit Monaten ist nun in Deutschland eine Gesetzesänderung in Arbeit, um die EU-Richtlinie zu Wohnimmobilienkrediten umzusetzen. Der Vorschlag der Bundesregierung sieht vor, das „ewige““ Widerrufsrecht für Altverträge drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes auslaufen zu lassen. Das wäre im Juni 2016, denn nach aktueller Planung soll das Gesetz am 21.03.2016 wirksam werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der „Widerrufsjoker““ bereits sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes erlöschen wird.

Dies betrachten Verbraucherschützer als eine „unfaire Lösung““ und raten Betroffenen, schnell zu handeln. Laut Verbraucherschutzverbänden war die große Mehrzahl (ca. 70-80%) der Widerrufsbelehrungen in den zwischen November 2002 und 2010 abgeschlossenen Immobilienkreditverträgen fehlerhaft. Dies hatte zur Folge, dass die übliche 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde. Kreditnehmer haben in den vergangenen Jahren diese Chance genutzt, ihren Vertrag widerrufen und oft mit einem neuen Kreditvertrag zu deutlich günstigeren Zinsen viel Geld gespart. Außerdem haben viele Kreditnehmer, die aus ihrem Vertrag bereits ausgestiegen sind, nach der bisher geltenden Regelung in diesem Zusammenhang die Chance, eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank zurückzuverlangen.

Es ist kein Geheimnis, dass Kreditinstitute intensiv politische Lobbyarbeit für eine Änderung der bisherigen Rechtslage geleistet haben. Denn dass in solcher Weise rückwirkend in bestehende Verträge eingegriffen wird, ist eher ungewöhnlich. Betroffene Darlehensnehmer, die ihren Widerrufsjoker noch nicht ausgespielt haben, sollten ihren Kreditvertrag prüfen lassen, ob die darin enthaltene Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist und welche Schritte man einleiten sollte. Wer das Prozesskostenrisiko scheut und keine Rechtsschutzversicherung hat, die solche Fälle abdeckt, kann einen Prozesskostenfinanzierer beauftragen, der das Kostenrisiko übernimmt. Kreditinstitute leisten zwar erfahrungsgemäß oft erheblichen Widerstand und versuchen, entsprechende Ansprüche von Kunden abzuwehren. Aber das Recht der Darlehensnehmer besteht (noch) – leider vermutlich nun nicht mehr lange. Die von mehr als 20 Anwaltskanzleien getragene „Arbeitsgruppe Widerruf““ bietet bundesweit kostenlose Informationsveranstaltungen an: Infos, Termine und Anmeldung unter www.jetzt-widerrufen.de.

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