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Unternehmen im Fokus aktivistischer Anteilseigner

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In Deutschland sind börsennotierte Unternehmen in den vergangenen Jahren zunehmend ins Visier aktivistischer Aktionäre geraten. Wie erst jüngst im Fall des Automobilzulieferers Grammer versuchen auch Aktionäre mit geringem Stimmrechtsanteil von teilweise weit unter 30%, maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung der Organe von börsennotierten Gesellschaften zu nehmen. Gerrit Clasen, Counsel bei Ashurst, erläutert die Vorgehensweise der aktivistischen Aktionäre sowie potenzielle Abwehrmaßnahmen.

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Das deutsche Aktienrecht stellt aktivistischen Aktionären einen ansehnlichen Katalog von Minderheitsrechten zur Verfügung. Das juristische Repertoire umfasst das Auskunftsrecht in der Hauptversammlung (HV), das Gegenantragsrecht, die Möglichkeit zur Unterbreitung von eigenen Wahlvorschlägen bei Aufsichtsrats- und Abschlussprüferwahlen, das Tagesordnungsergänzungsverlangen und das HV-Einberufungsverlangen, die Veranlassung von Sonderprüfungen sowie die Möglichkeit von Anfechtungsklagen und Auskunftserzwin-gungsverfahren. Bei ihrem Vorgehen machen sich die Aktivisten oftmals die niedrigen HV-Präsenzen von Zielgesellschaften ohne schützenden Ankeraktionär zu Nutze. Liegt die HV-Präsenz z. B. bei 40% des Grundkapitals, so reicht bereits eine Beteiligung von 21% aus, um über den Ausgang der Beschlussfassungen der HV zu entscheiden, für die lediglich eine einfache Mehrheit benötigt wird. Dies ermöglicht es beispielsweise, mit einem eher geringen Stimmrechtsanteil über die personelle Besetzung des Aufsichtsrats auf Anteilseignerseite zu entscheiden und über den Aufsichtsrat Einfluss auf die Besetzung des Vorstands, der die Geschäfte der Aktiengesellschaft führt, zu nehmen.

Personeller Austausch auch kurzfristig möglich
Der aktivistische Aktionär muss sich nicht bis zu den regulären Aufsichtsratswahlen gedulden, die sich in der Regel nur alle fünf Jahre auf der Tagesordnung der ordentlichen HV finden, um seine Kandidaten in den Aufsichtsrat zu wählen. Der personelle Austausch im Aufsichtsrat kann auch kurzfristig herbeigeführt werden. Überwiegend wählt der aktivistische Aktionär den Weg des Tagesordnungsergänzungsverlangens, um die gewünschten Beschlussfassungen auf die Tagesordnung der anstehenden ordentlichen HV zu setzen. Dies sind insbesondere die Abwahl von Aufsichtsratsmitgliedern zwecks Schaffung der erforderlichen Vakanz, die anschließende Wahl der eigenen Kandidaten in den Aufsichtsrat und gegebenenfalls der Vertrauensentzug gegenüber Vorstandsmitgliedern, um deren Abberufung durch den neu gewählten Aufsichtsrat zu ermöglichen. Sämtliche der vorgenannten Beschlussfassungen der HV erfordern regelmäßig nur eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zwar sieht das Aktienrecht für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern eine qualifizierte Mehrheit von 75% der auf der HV abgegebenen Stimmen vor. Allerdings kann das qualifizierte Mehrheitserfordernis durch die Satzung auf das einfache Mehrheitserfordernis abgesenkt werden. Dies ist bei börsennotierten Gesellschaften überwiegend der Fall. Insoweit reicht für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern regelmäßig die einfache Mehrheit der Stimmen aus. Dies spielt dem Aktivisten erheblich in die Karten.

Abwehrmaßnahmen
Im Rahmen der Präventionsmaßnahmen ist daher insbesondere an eine Satzungsänderung zur Anhebung des Mehrheitserfordernisses für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern zu denken. Ferner ist eine Schwachstellenanalyse durchzuführen, um mögliche Angriffspunkte von Aktivisten frühzeitig zu identifizieren und zu beseitigen. Den Richtlinien der Stimmrechtsberater, wie ISS und Glass Lewis, sowie den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex ist hierbei Beachtung zu schenken. Insbesondere die Zusammensetzung des Aufsichtsrats sollte keine Angriffspunkte hinsichtlich Kompetenz, Expertise und Unabhängigkeit der Mitglieder aufweisen. Ferner sollten die Veränderungen in der Aktionärsstruktur und auffällige Handelsaktivitäten im Rahmen eines Frühwarnsystems laufend analysiert werden. Um im Fall eines unangekündigten Tagesordnungsergänzungsverlangens, das der Gesellschaft unter Umständen erst am 30. Tag vor der HV zugeht, schnell und effizient reagieren zu können, sollten die wesentlichen Prozessabläufe und Zuständigkeiten vorab in einem Defence Manual festgelegt werden.

Schließlich sind die wesentlichen Aktionäre der Gesellschaft zu identifizieren, um auch eine kurzfristige Kommunikationsaufnahme zu ermöglichen. Die Identifikation unterhalb der ersten Stimmrechtsmeldeschwelle von 3% kann insbesondere bei Gesellschaften mit Inhaberaktien aufwendiger sein als bei Namensaktiengesellschaften mit Aktienregister, das Auskunft über die Identität der Aktionäre gibt. Die Durchführung einer so genannten Shareholder-ID kann die Identifikation der Aktionäre jedoch erheblich erleichtern. Die kurzfristige Aktivierung und Motivation des restlichen Aktionariats zur HV-Teilnahme und Stimmabgabe im Sinne der Verwaltung sowie die hierfür erforderliche Überzeugung der Stimmrechtsberater sind entscheidend zur Abwehr eines „feindlichen““ Tagesordnungsergänzungsverlangens. Im Fall des Zulieferers Grammer konnte auf diese Weise – bei einer Steigerung der HV-Präsenz auf 67% gegenüber ca. 42% im Vorjahr – das Tagesordnungsergänzungsverlangen der Cascade International Investment GmbH und damit insbesondere die begehrte Neubesetzung des Aufsichtsrats erfolgreich abgewehrt werden.

 

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