Unternehmen weiter uneins über Russland-Rückzug
Wenn man die Russland-Exposure der großen Autohersteller vergleicht, steht Renault wohl für das Worst-Case-Szenario. Ab den späten 1990er-Jahren hatten die Franzosen sich massiv auf dem russischen Markt engagiert, ihr Marktanteil lag zuletzt bei knapp 40%. Rd. 2,3 Mrd. Euro musste der Konzern denn auch in Q2 abschreiben, nachdem das Moskauer Werk und die 68%-Beteiligung an AvtoVAZ faktisch verstaatlicht wurden. Noch dazu ist Renault auch in der Türkei der größte Autoproduzent, mit entsprechendem Lira-Währungsrisiko.
Dass CEO Luca de Meo trotzdem gut gelaunt vor die Presse trat, um die Hj.-Ergebnisse zu verkünden, lag daran, dass es ansonsten ordentlich läuft – immerhin 5% operative Gewinnmarge sagte de Meo für das Gesamtjahr voraus, bisher war von 3% die Rede gewesen. Wie Stellantis oder VW (s. PLATOW v. 29.7.) kann sich Renault darüber freuen, dass Neufahrzeuge knapp und die Auftragsbücher voll sind, mit entsprechendem Spielraum bei den Verkaufspreisen. Außerdem macht sich der Spar- und Modernisierungskurs, den de Meo 2020 ausgerufen hatte („Renaulution“), mittlerweile bemerkbar.
In Russland reinen Tisch gemacht zu haben, könnte sich ohnehin noch als Vorteil erweisen. Bei VW stehen die derzeit ruhenden Produktionsanlagen weiter in der Bilanz, vagen Verkaufsplänen zum Trotz. Auch hier könnte es am Ende um eine Mrd.-Summe gehen. Damit sind die Wolfsburger in guter Gesellschaft: Etliche Unternehmen, auch aus Branchen, die nicht per se von den westlichen Sanktionen ausgenommen sind wie die Lebens- oder Arzneimittelproduktion, lavieren weiter.
Kion etwa denkt ebenfalls über einen Verkauf des verbliebenen Vertriebs- und Kundendienstgeschäfts nach, so ein Sprecher auf PLATOW-Anfrage. B. Braun, mit 3 400 Mitarbeitern u. a. in Dialysezentren kein ganz kleiner Russland-Player, will über den Bestand hinaus „keinerlei Investitions- oder Expansionsaktivitäten initiieren“, bleibt aber vor Ort, ebenso Fresenius. Auch Stada hat keine Rückzugspläne: Man habe den „Anspruch, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten aufrecht zu erhalten – unabhängig von ihrer Nationalität“, erklärte eine Sprecherin.