Unternehmenserbschaftsteuer: Verzögerungen nutzen
Das gegenwärtige Erbschaftsteuerrecht sieht sehr weitreichende Begünstigungen vor, welche es erlauben, ggf. auch sehr werthaltige Unternehmensbeteiligungen zu 85% oder sogar zu 100% steuerfrei zu vererben bzw. zu verschenken. Mit Urteil vom 17.12.2014 (Az. 1 BvL 21/12) hat das Bundesverfassungsgericht diese Begünstigungen für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, spätestens bis zum 30.6.2016 das Erbschaft und Schenkungssteuergesetz verfassungskonform anzupassen. Zur Zeit wird noch über die finale Form des Reformgesetzes gestritten.
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Bis die neue Regelung in Kraft tritt, kann grundsätzlich die noch bestehende, für Steuerpflichtige sehr günstige Regelung genutzt werden. Hält ein Steuerpflichtiger Anteile an einem Familienunternehmen, so kann er diese heute noch steuerfrei auf sein Kind übertragen. Voraussetzung hierfür ist insbesondere das Bestehen des sog. Verwaltungsvermögenstests. Beim Verwaltungsvermögenstest wird im Zeitpunkt der Anteilsübertragung untersucht, inwieweit im Unternehmen schädliches, im Wesentlichen nicht betriebsnotwendiges Vermögen vorhanden ist, insbes. Streubesitzbeteiligungen, Wertpapiere, übermäßige Liquidität etc. Beträgt das „schädliche““ Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50%, kommt eine 85%ige Verschonung in Betracht, so dass nur 15% des Unternehmenswertes der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu unterwerfen sind (sog. Regelverschonung). Beträgt die Verwaltungsvermögensquote hingegen maximal 10%, kommt sogar eine 100%ige Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Betracht (sog. Optionsverschonung). Eine betragsmäßige Begrenzung der Begünstigung ist derzeit nicht vorgesehen. Auch wird das Verwaltungsvermögen grundsätzlich (noch) nicht aus der Verschonung ausgeklammert, sondern mit begünstigt, sofern die vorgenannten Grenzen nicht überschritten sind.
Deutliche Einschränkung der Begünstigung geplant
Nach dem Reformgesetzentwurf sind demgegenüber gravierende Einschränkungen der Begünstigung zu erwarten, die im Wesentlichen vom Wert des Erwerbs abhängen sollen. Bei Erwerben bis 26 Mio. Euro soll es zwar grundsätzlich bei den bisherigen Verschonungsmöglichkeiten bleiben, d.h. dem 85%igen oder 100%igen Wertabschlag. Der Wertabschlag soll allerdings nicht mehr auf das gesamte Unternehmensvermögen, sondern nur noch auf „gutes““ Unternehmensvermögen zur Anwendung kommen (keine Mitbegünstigung „schlechten““ Vermögens). Da nahezu in jedem Familienunternehmen zumindest teilweise „schlechtes““ Vermögen vorhanden ist (z.B. hohe Liquiditätsreserven), ist zu erwarten, dass – im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage – künftig auch nahezu jede Anteilsübertragung Steuer auslösen wird. Bei den sog. Großerwerben, bei denen innerhalb von zehn Jahren Unternehmenswerte von mehr als 26 Mio. Euro von einer auf eine andere Person übertragen werden, sind zusätzlich weitere Restriktionen zu beachten.
Der Steuerpflichtige kann in diesem Fall zwischen der individuellen Verschonungsbedarfsprüfung oder dem sog. Abschmelzungsmodell wählen. In der individuellen Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber sein gesamtes Vermögen offen legen und 50% des verfügbaren Vermögens zur Steuerzahlung einsetzen. Zum verfügbaren Vermögen zählt hierbei nicht nur das Privatvermögen des Erwerbers, sondern insbesondere auch das „schädliche““ Vermögen in den geschenkten Anteilen selbst. Verfügt der Erwerber über signifikantes Privatvermögen, enthält das geschenkte Familienunternehmen erhebliche Reserven oder möchte der Erwerber schlicht sein Vermögen nicht offen legen, kommt nur noch die Anwendung des Abschmelzungsmodells in Betracht.
Nach dem sog. Abschmelzungsmodell wird der Wertabschlag (85% bzw. 100%) für Unternehmenskäufe ab 26 Mio. Euro abgeschmolzen und zwar umso stärker, je größer der dem Erwerb zu Grunde liegende Unternehmenswert ist. Die Bundesregierung und der Bundesrat sind sich noch hinsichtlich der Höhe der Abschmelzung uneinig. Der Bundesrat hat sogar vorgeschlagen, dass ab einem Erwerb von 34 Mio. Euro für den gesamten Erwerb keine Verschonung mehr gewährt wird. In solchen Fällen ist die Verschonung dann vollumfänglich von der vorstehenden Bedarfsprüfung abhängig.
Verbleibende Zeit nutzen
Da die heutige Rechtslage keine Bedarfsprüfung oder Begrenzung der Begünstigung vorsieht und das „schädliche““ Verwaltungsvermögen mit begünstigt, könnten sich zukünftig durch die bevorstehende Gesetzesänderung signifikante Mehrbelastungen bei Übertragungen zu Lebzeiten oder von Todes wegen ergeben. Dass das neue Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft tritt, ist möglich, aber angesichts der Tatsache, dass derzeit sogar alternative Regelungsmöglichkeiten (z.B. flat tax) angedacht werden, eher unwahrscheinlich. Daher sollten noch die verbleibende Zeit bis zur finalen Umsetzung genutzt und Unternehmen nach Möglichkeit noch nach der geltenden Rechtslage übertragen werden. Bei der Übertragung kann der Schenker ggf. auch seine Kontroll- und Gewinnbezugsrechte weitestgehend behalten und lediglich die Substanz auf seine Kinder übertragen. Ein Übertragungsvorgang sollte auch vor diesem Hintergrund zumindest geprüft werden.
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