Allgemein

Unternehmensfinanzierung mittels Factoring

Angesichts der noch immer spürbaren und nicht überwundenen Finanzkrise und der damit verbundenen Zurückhaltung der Kreditinstitute bei der Vergabe von Krediten haben Unternehmen weiterhin großen Bedarf an alternativen Finanzierungsformen. Eine Möglichkeit ist dabei das so genannte Factoring. Einen Überblick über die Funktionen dieses Finanzierungsmodells und die Vorteile für Unternehmen gibt Ssoufian Bouchouaf, Rechtsanwalt bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft im Beratungsfeld Banking, Finance & Capital Markets.

22. März 2012

Das wirtschaftliche Grundkonzept des (in der Praxis häufigen) echten Factorings lässt sich dahingehend beschreiben, dass ein Finanzierungsinstitut als Factor im Rahmen einer langfristigen vertraglichen Zusammenarbeit die gewerblichen Forderungen seines Anschlusskunden gegen Drittschuldner aus Lieferungen und Leistungen ankauft und den Anschlusskunden gegen einen Forderungsausfall versichert. Das Factoring-Geschäft ist demnach ein Dreiecksverhältnis: Das Unternehmen, auch Anschlusskunde genannt, verkauft und überträgt sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen, die sich aus der laufenden Geschäftstätigkeit gegen die Drittschuldner oder Debitoren ergeben, an den Factor, um diesem als neuem Gläubiger die Eintreibung der Forderungen von den Drittschuldnern zu überlassen.

Sofortige Liquidität dank Factoring

Drei Funktionen des Factors sind für die Grundform des echten Factorings charakteristisch: die Finanzierungsfunktion, die Dienstleistungs- und die Delkredere- oder Versicherungsfunktion. Je nach den betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen beim Anschlusskunden kann eine dieser Funktionen gegenüber den anderen mehr oder weniger ausgeprägt sein.

Die Finanzierungsfunktion kommt darin zum Ausdruck, dass der Factor dem Anschlusskunden durch die Bevorschussung der vor Fälligkeit angekauften Forderungen sofortige Liquidität verschafft. Der Anschlusskunde braucht nicht auf den Eingang seiner Außenstände mit ihren oft langfristigen Zahlungszielen bis zum Fälligkeitszeitpunkt zu warten, sondern kommt in den Genuss einer vorgezogenen Befriedigung und eines ständigen umsatzkongruenten Bargeldzuflusses. Er lässt sich seine Buchforderungen vorfinanzieren und kann die liquiden Mittel u. a. dazu verwenden, kurzfristige Verbindlichkeiten gegenüber seinen Lieferanten abzubauen.

So kann der Anschlusskunde beispielsweise die Aufnahme von Krediten zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen und die Verpfändung seiner Forderungen an Kreditgeber vermeiden. Durch das Factoring werden zwar einerseits keine Eigenkapitaldefizite beseitigt und auch keine Finanzierungsgrundlage für langfristige Investitionen generiert; andererseits erlaubt es aber dem Anschlusskunden, seinen kurzfristigen Mittelbedarf zu decken und seine Einnahmen und Ausgaben in einem angemessenen Verhältnis zu halten. Die Factoring-Finanzierung verhindert, dass sich etwa konjunkturbedingte Verlängerungen der Zahlungsziele gegenüber den Drittschuldnern liquiditätsmindernd auswirken. Die Finanzierungsfunktion macht das Factoring so zu einem Instrument der Unternehmensfinanzierung, die insbesondere für aufstrebende Unternehmungen interessant ist.

Die Dienstleistungs- oder Servicefunktion des Factoring besteht darin, dass der Factor für den Anschlusskunden die Debitorenbuchhaltung und den Forderungseinzug übernimmt. Durch diese Auslagerung erfährt der Kunde eine operative Entlastung, die sich nicht zuletzt in den Einsparungen von Sach- und Personalkosten bemerkbar macht.

Die dritte Aufgabe ist die Delkredere- oder Versicherungsfunktion. Der Factor übernimmt beim echten Factoring das Risiko der Bonität der von ihm erworbenen Forderungen in der Weise, dass er auf eine Regressmöglichkeit gegenüber dem Anschlusskunden im Falle der Uneinbringlichkeit der Forderung verzichtet. Der Kunde haftet folglich nur für den Bestand, die Verität der Forderungen, nicht aber für deren Bonität. Gerade wegen dieses Risikos erfolgt in der Praxis der Forderungserwerb durch den Factor nicht immer uneingeschränkt für sämtliche Außenstände des Anschlusskunden, sondern kann je nach Vertragsgestaltung von einer vorherigen positiven Prüfung der Kreditwürdigkeit des Drittschuldners abhängen. Diese Funktion des Factoring erlaubt es auch kleineren Betrieben, größere Risiken bei der Einräumung von Lieferantenkrediten einzugehen, weil das je nach Kundenstruktur unterschiedlich ausfallende Risiko von Debitorenausfällen aufgefangen werden kann.

Neue Marktchancen, verkürzte Bilanz

Das Factoring ermöglicht nicht nur den Schutz vor Forderungsausfällen, sondern auch die Option, freie Finanzmittel für Einkaufsvorteile (Skonti, Rabatte) einzusetzen und so Marktchancen zu eröffnen. Bei gewünschter Übertragung der Debitorenbuchhaltung kann das Unternehmen darüber hinaus zusätzliches Personal und Kosten sparen. Von dem Factor können auch die Kreditprüfung, der Forderungseinzug sowie die Rechtsverfolgung übernommen werden. Weiterer wichtiger Vorteil des Finanzierungsinstruments Factoring ist die Verkürzung der Bilanz des Unternehmens, da die verkauften Forderungen aus dem Vermögen ausscheiden. Dadurch verbessern sich die Bilanzkennzahlen mit positivem Einfluss auf das künftige Rating des Unternehmens.

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