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Unternehmensjuristen – Keine Anwälte zweiter Klasse

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Weil sie sich in ihrer täglichen Arbeit gegenüber Kanzlei-Anwälten oftmals benachteiligt sehen, gründeten acht Unternehmensjuristen vor gut drei Monaten eine eigene Interessenvertretung – den Bundesverband der Unternehmensjuristen, kurz BUJ. PLATOW Recht sprach mit Gründungsmitglied und Vizepräsidentin Friederike Rotsch, die beim Pharmaunternehmen Merck die Konzern-Rechtsabteilung leitet, über die Aufbauarbeit, die Ziele des Verbandes und über das Verhältnis zum „großen Bruder“, dem Deutschen Anwaltverein.

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Um einen eigenen Verband zu gründen, muss die Unzufriedenheit schon ziemlich groß sein. Wo sehen Sie für Unternehmensjuristen die größten Probleme?

Wir sehen in unserer täglichen Arbeit zunehmend die Tendenz, dass Inhouse-Juristen nicht mehr als Anwälte, sondern lediglich als Angestellte in einem Unternehmen betrachtet werden. Das berührt zum einen unser Selbstverständnis, hat aber auch konkrete Auswirkungen auf unsere Arbeit. Da wäre zum einen die Benachteiligung beim Thema Legal Privilege. Anwälte in Kanzleien müssen demnach keine Unterlagen – insbesondere betrifft das natürlich Mandantenunterlagen – an Staatsanwaltschaften oder ähnliche Behörden herausgeben, zudem haben sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Was uns letztlich auf den Plan rief, ist die 2010 getroffene Entscheidung des EuGH, dass das Legal Privilege für Unternehmensjuristen nicht gilt. Das stellt uns natürlich vor Probleme, da wir unseren Vorständen letztlich nicht mehr versichern können, dass das, was sie uns erzählen, bei uns auch tatsächlich sicher ist. Das ist eine klare Benachteiligung gegenüber externen Anwälten. Zweitens wollen wir das Thema Fortbildung angehen. Es ist Inhouse-Juristen so gut wie unmöglich, Fachanwaltstitel zu erwerben, denn die Fälle, an denen wir arbeiten, werden uns nicht als Praxiserfahrung anerkannt. Das wollen wir ändern. Und zu guter Letzt haben wir noch das Problem, dass es Unternehmensjuristen zunehmend schwer gemacht wird, nach einem Wechsel von einer Kanzlei in ein Unternehmen Mitglied im Versorgungswerk zu bleiben.

Wie ist bisher die Resonanz auf Ihren Verband? Teilen Ihre Kollegen das Gefühl der Benachteiligung?

Die Rückmeldungen, die wir bisher erhalten haben, bestätigen uns, dass wir mit unserer Einschätzung so falsch nicht liegen. Wir versuchen momentan natürlich, so viele Kollegen wie möglich auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen, indem wir z. B. unsere Publikation „Der Unternehmensjurist“ zu Beginn sehr breit verteilen. Aber es läuft gut, wir haben nach nur drei Monaten bereits über 400 Mitglieder. Wenn wir bis Ende des Jahres die Marke von 800 erreichen, dann haben wir, denke ich, eine schon recht schlagkräftige Größe.

Wie viele Unternehmensjuristen gibt es schätzungsweise in Deutschland, die Sie mit Ihrem Verband ansprechen wollen?

Das ist schwer zu bestimmen, da es dazu keine aussagekräftigen Statistiken gibt. Wir schätzen aber, dass die Zahl weit über 10 000 liegt. Und je mehr sich dem Verband anschließen, desto mehr Druck können wir ausüben.

Wo sehen Sie sich im Vergleich zu anderen Organisationen wie beispielsweise dem Deutschen Anwaltverein – Bindeglied oder Gegenpart?

Wir suchen schon das Gespräch, von daher ganz eindeutig Bindeglied. Natürlich ist es so, dass wir im Deutschen Anwaltverein für unsere speziellen Interessen nicht das rechte Podium haben. Das ist angesichts der Größe dieser Organisation und den Tausenden von Anwälten aber auch nicht weiter verwunderlich. Die meisten Kollegen haben ganz andere Anliegen als wir. Nicht unbedingt gegenläufige, aber andere. Wir sehen uns aus diesem Grund nicht als Gegenentwurf zum Deutschen Anwaltverein, sondern vielmehr als Ergänzung.

Wie sehen nun die nächsten Schritte aus? Welches sind die Themen, die Ihnen am ehesten unter den Nägeln brennen?

Die Themen Zeugnisverweigerungsrecht, Fachanwaltszulassung und Rentenbefreiung stehen für uns an erster Stelle. Hierzu führen wir auch bereits Gespräche. Daneben bauen wir im Moment innerhalb des Verbandes Regional- und Fachgruppen auf, um den Austausch zwischen den Mitgliedern zu verbessern.

Am 11.3.11 gründeten die Unternehmensjuristen Nicolai von Ruckteschell (Chefsyndikus, Lufthansa), Friederike Rotsch (Leiterin Konzern-Rechtsabteilung, Merck), Roland Kirsten (Director Legal & Corporate Affairs, Douglas), Niels Hartwig (Chief Counsel Global Functions, Siemens), Claudia Junker (General Counsel, Deutsche Telekom), Thomas Kremer (General Counsel, ThyssenKrupp), Ingo Schaffernak (General Counsel, HeidelbergCement) und Georg von Bronk (Leiter Recht, Hochtief) mit dem BUJ die erste eigenständige berufsständische Vereinigung für Juristen in Unternehmen, Institutionen und Körperschaften. Mit dem Verband soll vor allem eine Plattform geschaffen werden, über die sich Deutschlands Inhouse-Juristen austauschen und weiterbilden können. So bringt der BUJ alle zwei Monate die Zeitschrift „Der Unternehmensjurist“ heraus, einmal pro Jahr soll künftig ein Kongress stattfinden. Die erste Veranstaltung ist für den 2. bis 3.2.12 in Berlin geplant. Mehr Infos gibt es im Internet unter www.buj.net.

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