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„US-amerikanische „“Discovery““ auch für Prozesse in Deutschland möglich“

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Der 7. Senat (Seventh Circuit) des amerikanischen Bundesberufungsgerichts (U.S. Court of Appeals) hat in einer wegweisenden Entscheidung (Nos. 09-2858. 10-2639) dem Antrag des deutschen Unternehmens Heraeus Kulzer auf „Discovery“ gegen den US-amerikanischen Konzern Biomet stattgegeben, obwohl der eigentliche Prozess zwischen den beiden Parteien um den Diebstahl von Unternehmensgeheimnissen vor einem deutschen Gericht geführt wurde.

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„Ein Urteil, das so nicht unbedingt zu erwarten war; das jedoch in Zukunft einige in Deutschland anhängige Verfahren entscheidend beeinflussen kann“, kommentiert Carsten Grau, Experte für Litigation & Arbitration und Partner von DLA Piper in Hamburg, die Entscheidung des Gerichts. Unter der im US-amerikanischen Rechtskreis üblichen „Discovery“ ist die Verpflichtung zur Vorlage prozessrelevanter Unterlagen zu verstehen, in Form der e-Discovery auch die Verpflichtung zur Offenlegung kompletter Email-Accounts und elektronischer Speichermedien. Die Verpflichtung des Prozessgegners, Urkunden zur Beweisführung vorzulegen, gibt es zwar auch in Deutschland. Allerdings ist die Umsetzung dieser Verpflichtung in der Praxis sehr schwer oder häufig unmöglich. Denn die Vorlage verlangende Partei muss die gewünschten Unterlagen genau benennen und stößt dabei regelmäßig an ihre Grenzen, wenn sich die Gegenseite – womöglich wahrheitswidrig – darauf beruft, die benannten Unterlagen nicht in ihrem Besitz zu haben. „Ein derartiges Vorgehen wäre im Rahmen einer „Discovery“ in hohem Maße bedenklich, da der zur Offenlegung verpflichtete Prozessgegner bereits bei geringfügiger Verletzung seiner Vollständigkeits- und Wahrheitspflichten erhebliche Nachteile im Prozess erleidet und sich gravierenden strafrechtlichen Konsequenzen aussetzt“, erläutert Grau.

Nach der Entscheidung des Gerichts hat ein ausländischer Kläger die Möglichkeit, von seinem US-amerikanischen Prozessgegner mithilfe eines Antrags vor einem US-Gericht umfassende Dokumente oder elektronisch gespeicherte Daten zu Beweiszwecken zu erlangen, an die er nach jeweiligem Heimatrecht nie oder nur unter sehr schwierigen Umständen herankommen würde. „Damit hält die vor einem deutschen Gericht klagende Partei – z. B. in größeren kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzprozessen, Copyrightstreitigkeiten oder Produkthaftungsprozessen – ein sehr wirksames Mittel zur Erlangung von Beweismaterialien aus der Sphäre des Prozessgegners in der Hand“, betont Grau die Bedeutung des Urteils.

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