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Vergabespezifischer Mindestlohn doch nicht vor dem Aus?

In der Sache Regio-Post gegen die Stadt Landau hat am 9.9.2015 der Generalanwalt Paolo Mengozzi seine Schlussanträge vorgelegt (Rs. C-415/14). Das OLG Koblenz hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 19.2.2014 Fragen zur europarechtlichen Zulässigkeit des vergabespezifischen Mindestlohns nach dem Landestariftreuegesetz Rheinland-Pfalz zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az.: 1 Verg 8/13).

Nach der Regelung im Landestariftreuegesetz Rheinland-Pfalz müssen sich alle Bieter verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung einen bestimmten Mindestlohn zu zahlen. Der Generalanwalt plädiert – sehr überraschend für die Fachwelt – klar und deutlich für die Zulässigkeit der rheinland-pfälzischen Regelung.

Wie schon in der fast zeitgleich vorgelegten Sache „Bundesdruckerei““ (Rs. 549/13 – wurde am 14.9.2014 entschieden) misst der Generalanwalt die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht an Art. 56 AEUV, also der europäischen Dienstleistungsfreiheit. Es sei dabei unzweifelhaft, so der Generalanwalt, dass durch die Forderung des Mindestlohns die Dienstleistungsfreiheit beschränkt werden könne. Maßgeblich sei allein, ob diese Beschränkung durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt werden könne.

Gegen das weitverbreitete Argument, dass der Arbeitnehmerschutz nicht greifen könne, wenn eine Regelung wie hier einseitig nur die Arbeitnehmer schütze, die für die Ausführung des öffentlichen Auftrags eingesetzt würden, führt er Art. 26 der Vergaberichtlinie 2004/18/EG ins Feld. Danach dürften öffentliche Auftraggeber „zusätzliche Bedingungen““, also auch Arbeitsbedingungen, vorschreiben. Diese Regelung wäre obsolet, wenn öffentliche Auftraggeber lediglich einen für alle Mitarbeiter des Auftragnehmers geltenden Mindestlohn fordern dürften, jedoch keinen spezifischen Lohn zugunsten der Mitarbeiter, die konkret den öffentlichen Auftrag ausführen.

„Es ist zweifelhaft, ob der EuGH dieser Argumentation folgen wird““, meint die Vergaberechtsexpertin Aline Fritz von der Kanzlei FPS. Wenn Art. 26 der Vergaberichtlinie „zusätzliche Bedingungen““ nur unter der Voraussetzung zulasse, dass sie mit Unionsrecht vereinbar sind, könne diese Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht nicht wiederum mit dem Sinn und Zweck der Richtlinienregelung begründet werden, so Fritz. In dem bereits oben erwähnten Urteil „Bundesdruckerei““ hat der EuGH überdies festgestellt, dass eine solche einseitige Maßnahme nur gerechtfertigt sei, wenn es Anhaltspunkte dafür gebe, dass die auf dem privaten Markt tätigen Arbeitnehmer nicht desselben Lohnschutzes bedürften wie die im Rahmen öffentlicher Aufträge tätigen Arbeitnehmer. Schließlich ist zu beachten, dass auch der Generalanwalt ausdrücklich betont, dass für den zu entscheidenden Fall das Mindestlohngesetz (MiLoG) noch nicht anwendbar war. „Da seit 1.1.2015 ein bundesweiter Mindestlohn gilt““, so Fritz, „ist fraglich, ob mit dem Argument des Arbeitnehmerschutzes noch vergabespezifische Mindestlöhne gerechtfertigt werden können.““

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