Was ändert sich mit dem neuen Stiftungsrecht, Herr Seikel und Herr Wenzel?
Seit Juli ist das reformierte Stiftungsrecht in Kraft. Welche Änderungen haben in der Praxis besonders große Auswirkungen, und für wen?
Axel Wenzel: Die eingetretenen Änderungen haben je nach Zielsetzung und Ausgestaltung der konkreten Stiftung unterschiedliche Relevanz in der Praxis.
Dabei ist allen Änderungen gemein, dass eine Vereinheitlichung des Stiftungsrechts erfolgen und mithin eine unterschiedliche Handhabung in den einzelnen Bundesländern vermieden werden soll. Dies ist natürlich auch aus Sicht der Stiftungen zu begrüßen. Ein Beispiel dafür sind die nunmehr einheitlichen Vorgaben für Satzungsänderungen in § 85 BGB.
Besonders relevant für die Praxis dürften auch die Änderungen im Bereich des Vermögens sein. Stiftungen haben nunmehr (rechtssicher) die Möglichkeit, einen Teil des Vermögens zu sonstigem Vermögen zu bestimmen, welches für die Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht werden kann; auf diese Weise sind hybride Strukturen möglich. Weiter ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass Zuwächse aus der Umschichtung von Grundstockvermögen ebenfalls für die Zweckerfüllung verwendet werden können. Für Stiftungen entsteht dadurch eine größere Flexibilität bei der Mittelverwendung und Zweckerfüllung.
Weitere praxisrelevante Änderungen sind beispielswiese durch die eigenständige Normierung von Zulegung (eine Stiftung wird auf eine bestehende aufnehmende Stiftung übertragen) und Zusammenlegung (zwei Stiftungen werden auf eine neue aufnehmende Stiftung übertragen) entstanden. Insbesondere Stiftungen, die nicht über ein ausreichendes Grundstockvermögen verfügen, um ihre satzungsmäßigen Zwecke zu erfüllen, wird so die Möglichkeit zur Umstrukturierung eröffnet.
Für Stiftungsvorstände dürfte besondere Bedeutung die gesetzliche Regelung der sog. Business Judgement Rule und die damit einhergehende Reduzierung des Haftungsrisikos haben.
Die tatsächlichen Auswirkungen werden sich aber deutlicher in den nächsten Monaten zeigen. Hier gilt es nun, die aktuellen Entwicklungen abzuwarten.
Bedeuten die Neuerungen, dass bestehende Stiftungen nun ihre Satzungen erneuern müssen?
Gregor Seikel: Die Frage nach einem etwaigen Anpassungsbedarf bei Bestandsstiftungen ist einzelfallabhängig und daher nicht pauschal zu beantworten. Die Stiftungsrechtsreform sollte aber zum Anlass genommen werden, die Stiftungssatzung auf ihre Aktualität zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Soweit die Stiftungssatzung auf die „gesetzlichen Regelungen“ verweist, muss überprüft werden, ob die gesetzlichen Regelungen nach der Stiftungsrechtsreform noch passend sind.
Wenn in der Stiftungssatzung vom Gesetz abweichende Regelungen getroffen wurden oder werden sollen, muss im ersten Schritt geprüft werden, ob die gesetzlichen Regelungen dispositiv sind und anschließend, welche Anforderungen an die abweichende Satzungsregelung gestellt werden. Bereits hier ergeben sich einige Schwierigkeiten: So geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass keine abweichenden Satzungsregeln im Hinblick auf Auflösung, Zulegung und Zusammenlegung getroffen werden können, während in der Literatur teilweise für die Zulässigkeit solcher Abweichungen argumentiert wird. Abweichende Regelungen für Satzungsänderungen sind zwar gesetzlich ausdrücklich zugelassen, die Änderung muss jedoch im Stiftungsgeschäft aufgenommen werden, was bei Bestandsstiftungen zu praktischen Problemen führt, da das Stiftungsgeschäft bereits abgeschlossen ist.
In der Praxis ist zudem die Möglichkeit der Änderung einer Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung relevant. Eine solche kommt in Betracht, wenn der Stiftungszweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann.
Was sollte man im Vorfeld der ab 2026 verpflichtenden Eintragung im Stiftungsregister unbedingt beachten?
Axel Wenzel: Ab dem 1. Januar 2026 ist eine Eintragung in das Stiftungsregister gesetzlich verpflichtend. Dies hat zur Folge, dass die Stiftung erstmals öffentlich wird. Jedermann kann dann die zum Stiftungsregister eingereichten Dokumente, insbesondere die Satzung, einsehen. Gerade Familienstiftungen sollten sich dessen bewusst sein und rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um sich zu schützen (z.B. Satzungsänderung vor Einführung des Stiftungsregisters).
Gregor Seikel: Keinesfalls sollte es versäumt werden, die Stiftung nach Aufnahme des Betriebes des Stiftungsregisters rechtzeitig, bis spätestens zum 31. Dezember 2026, zur Eintragung in das Stiftungsregister anzumelden. Andernfalls können seitens der Registerbehörde Zwangsgelder angedroht bzw. festgesetzt werden. Eintragungspflichtige Tatsachen sind insbesondere: Name und Sitz der Stiftung, Datum und Anerkennung, Name, Geburtsdatum und Wohnort der mit Vertretungsmacht ausgestatten Organmitglieder, satzungsmäßige Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vorstandes sowie die nach Eintragung in das Stiftungsregister erfolgten Satzungsänderungen. Die durch die Einführung des Registers entstehende Publizität soll zukünftig dazu führen, dass Vertretungsbescheinigungen und Stiftungsverzeichnisse nicht mehr notwendig sind. Nach der Eintragung hat die Stiftung ihren Namen mit dem Rechtsformzusatz „eingetragene Stiftung“, alternativ „e.S.“ zu führen.
Über die Interviewpartner:
Gregor Seikel ist Partner der Kanzlei Oppenhoff & Partner mit Schwerpunkten im Gesellschaftsrecht und im Immobiliensektor. Er berät Private Clients u.a. zu Nachfolgethemen, der Strukturierung von Familienvermögen und bei familiären Konflikten und Stiftungsgründungen. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehört auch die rechtliche Begleitung von Stiftungen.
Axel Wenzel, ebenfalls Partner bei Oppenhoff, berät Unternehmen, Unternehmer und Stiftungen im deutschen und europäischen Gesellschaftsrecht. Sein Fokus liegt besonders auf der Unternehmens- und Vermögensnachfolge, bei grenzüberschreitenden Fragen des Erb- und Familienrechts, des Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechts.