Drei Fragen an ...

Was kommt mit der Krankenhausreform auf den privaten Sektor zu, Herr Kairies und Herr Sehy?

Dass das deutsche System der stationären Krankenversorgung nicht zukunftstauglich ist, hat sich spätestens nach der Corona-Pandemie gezeigt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt nun die Qualität in den Mittelpunkt, spricht von „zu viel Ökonomie und zu wenig Medizin“ in der Gesundheitsversorgung und will renditegetriebene Investitionen im Healthcare-Sektor erschweren.

Oliver Kairies und Hendrik Sehy
Oliver Kairies und Hendrik Sehy © Jörg Modrow/laif

Der Bundesgesundheitsminister nimmt private Investoren ins Visier und will „renditegetriebene“ Investitionen im Gesundheitssektor eindämmen. Welche Auswirkungen hätte das, was momentan an Krankenhausreform-Plänen bekannt ist, für private Krankenhäuser und deren Betreiber?

Kairies: Derzeit sieht es so aus, als würden der Bund und die Länder sich in Sachen Krankenhausreform auf ein Paket einigen, dass die Eckpunkte „Vorhaltepauschalen“ und „Definition von Leistungsgruppen“ (Nordrhein-Westfalen war hier Vorreiter) beinhalten wird. Der zusätzliche Baustein der Versorgungsstufen („Level“) stößt auf massiven Gegenwind der Bundesländer. Wir vermuten, dass das Bundesministerium der Gesundheit in der Sommerpause an einem Referentenentwurf arbeiten wird, wir also gegen Ende des Sommers eine konkrete Diskussionsgrundlage sehen werden.

Die Einteilung der Krankenhäuser in drei Versorgungslevel hat bisher erhebliche Kritik erfahren: Ziel der Level ist, dass – in Verbindung mit den Leistungsgruppen – die spezialisierten und komplexen Behandlungen nur noch durch entsprechend spezialisierte Krankenhäuser erfolgen sollen, während ein Großteil der heutigen „Grund- und Regelversorger“ in die Basisversorgung „abrutscht“. Die sich ergebenden Auswirkungen auf das Planungsrecht begreifen die Länder als Eingriff in die Planungshoheit, was verfassungsrechtliche Bedenken auslöst. Das Grundgesetz sieht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG keine Kompetenz für die Krankenhausorganisation und die Krankenhausplanung vor, so dass diese mangels anderweitiger Zuweisung gemäß Art. 70 Abs. 1 GG den Ländern zusteht.

Die Sorge trifft besonders Häuser im ländlichen Raum, aber auch Häuser in Ballungszentren mit einem zu breiten Portfolio. Gerade kleinere und mittlere Häuser könnten aufgrund einer niedrigen Levelgruppierung von komplexeren, vergütungstechnisch höher bewerteten Leistungen ausgeschlossen werden und geraten damit noch weiter unter Kostendruck. Die Vorhaltepauschalen sollen zwar neben der Vergütung nach Fallpauschalen zukünftig einen Großteil der Kosten auffangen. Kritisch ist aber bereits die zwangsläufige „Übergangsphase“, in denen kleinere Häuser (die derzeit ohnehin oft wirtschaftlich angeschlagen sind) massive strukturelle Veränderungen stemmen müssen, ohne eine klare Übergangsfinanzierung zu bekommen.

In diesem Setting werden sich auch die privaten Krankenhausbetreiber wiederfinden. Dieser Oberbegriff beinhaltet aus unserer Sicht sowohl die etablierten Krankenhausketten in privater Trägerschaft als auch solche Krankenhäuser, die verschiedentlich von (ausländischen) Finanzinvestoren erworben und betrieben werden, um hierüber einen Zugang zum ambulanten, vertragsärztlichen Versorgungsmarkt in Deutschland (Medizinische Versorgungszentren) zu erlangen.

Was bedeutet das perspektivisch für Übernahmen im Krankenhaussektor?

Sehy: Im Fokus der Diskussion stehen ja immer wieder Übernahmen durch Finanzinvestoren oder andere Geldgeber, die einen renditeorientierten Background haben. Die Krankenhausreform für sich genommen zielt nicht auf deren Vermeidung ab, sie ist eine unseres Erachtens längst notwendige Strukturreform. Indes ist sie geeignet, insbesondere im Zusammenspiel mit der Reformdiskussion um investorengeführte Medizinische Versorgungszentren, auch Auswirkungen auf Krankenhausübernahmen durch Investoren zu haben.

Für Investoren, die einen Eintritt in den deutschen Krankenhausmarkt mitten im reformbedingten Strukturwandel der kommenden Jahre anstreben, wird es ungleich schwerer werden, wirtschaftlich (noch) stabile Krankenhäuser zu akquirieren. Die Bereitschaft, Verluste und Strukturkosten zu übernehmen, muss man mitbringen. Dies gilt besonders für Investoren, die das Krankenhaus als Vehikel für den Aufbau ambulanter Strukturen nutzen wollen und daher oft kleinere Einrichtungen bevorzugen. Investoren, die sich primär auf dem Krankenhausmarkt etablieren wollen, wird man empfehlen müssen, größere Häuser oder solche Kliniken vorzuziehen, die strukturell leicht in die Reform „eingepasst“ werden könnten.

Investoren, die noch kurzfristig einsteigen wollen, mag die eine oder andere gute Akquisition noch gelingen. Allerdings liegt es auf der Hand, dass das erworbene Krankenhaus zukünftig „fremdbestimmt“ strukturiert werden wird. Zwar ist aus unserer Sicht weniger zu befürchten, dass die jeweiligen Planungsbehörden proaktiv in die Abteilungsstruktur eingreifen werden, Bereiche aberkennen oder schließen; je nach Inhalt der Reform wird sich bei solchen Maßnahmen immer die Frage nach dem Grundrechtsschutz des privaten Krankhausträgers aus Art. 12 GG stellen. Letztlich aber über den Weg der Vergütung und die Leistungsgruppenzuteilung werden solche, meist kleineren Häuser dann sukzessive von hochbewerteten Leistungen ausgeschlossen, weil sie bei der Zuteilung von Leistungsgruppen (oder ggf. einer geringen Levelgruppierung) schlechter abschneiden werden. Eine Umstrukturierung wird dann zwangsläufig erfolgen müssen.

Können sich die großen privaten Klinikketten also schon auf ein staatlich gefördertes Oligopol freuen?

Kairies: Man kann dies derzeit nur vermuten, wobei eine Vielzahl von Aspekten hier zusammenkommen. Gerade weil private Träger renditeorientiert arbeiten müssen, um beispielweise Investitionen stemmen zu können, stoßen auch sie durch die Reform an Grenzen. Es ist nicht auszuschließen, dass wir auch bei ihnen vermehrt gezielte De-Investments kleinerer Häuser sehen werden. Gleichwohl wird ihre Bedeutung zunehmen, sollten immer mehr kommunale oder freigemeinnützige Einzelhäuser schließen müssen, weil sie keinen Kooperationspartner finden. Je stärker sich der Markt durch die Reform allerdings verdichtet, desto geringer wird auch für private Träger der Spielraum, durch Übernahmen oder Kooperationen zu agieren. Denn die kartellrechtliche Fusionskontrolle wird hier noch stärkere Schranken setzen.

 

Über die Interviewpartner:
Oliver Kairies ist Partner und Hendrik Sehy Counsel im Hannoveraner Büro von Luther. Beide beraten laufend zu Transaktionen und Restrukturierungen im Gesundheitssektor. Kairies ist außerdem Co-Leiter der Industriegruppe Healthcare & Life Science und zudem im Kunst- und Sportrecht aktiv, Sehy berät zusätzlich Krankenhäuser und MVZ zu regulatorischen Fragen.

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