Weg frei für das EU-Patent
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Nachdem Anfang Mai diesen Jahres der Europäische Gerichtshof die Klagen von Spanien gegen die EU-Verordnungen zur Schaffung des neuen EU-Patentsystems vollumfänglich zurückgewiesen hat (Az.: C-146/13 und C-147/13), ist nunmehr der Weg frei für das einheitliche Patentsystem der EU und somit des EU-weit einheitlich gültigen Patents, erläutert Bernhard Pillep, Partner der Münchner Kanzlei Kador & Partner.
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Das Verfahren zur Erlangung eines solchen EU-Patents nutzt weitestgehend Strukturen, die seit mehr als 40 Jahren bestehen. Dies bedeutet, der Weg zum EU-Patent beginnt mit dem bestehenden Anmelde- und Erteilungsverfahren für europäische Patente beim Europäischen Patentamt. Nach Erteilung des Patents kann sich der Inhaber innerhalb eines Monats entscheiden, ob er für die am neuen System teilnehmenden EU-Staaten ein einheitliches EU-Patent erhalten will, oder ob er, wie bisher schon möglich, sein Patent in den einzelnen von ihm ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation (EPO) validieren will und damit ein „Bündel““ an nationalen Patenten erhält. Da sich das neue EU-Patent natürlich nicht auf die Mitgliedstaaten der EPO erstreckt, die nicht EU-Mitglieder sind (wie zum Beispiel die Schweiz, Norwegen oder die Türkei) oder die am neuen System nicht teilnehmen (wie bislang Italien, Spanien und Kroatien), bleibt in diesen Ländern zur Schutzerlangung weiterhin nur die Möglichkeit der nationalen Validierung des Patents. Es ist zu erwarten, dass das neue System Ende 2016 in Kraft tritt. Vorher müssen noch zumindest 13 Mitgliedstaaten der EU, einschließlich Deutschland, Großbritannien und Frankreich, das Abkommen über die Schaffung eines europäischen Patentgerichtsystems ratifizieren. Dieses Abkommen stellt die zweite Säule des neuen EU-Patentsystems dar und bisher haben sieben Staaten, einschließlich Frankreich, das Abkommen ratifiziert (Stand Ende Juli).
Volle Schlagkraft wird das neue System aber erst erreichen, wenn möglichst alle EU-Staaten das Abkommen ratifizieren, da es dann erst für den jeweiligen Staat in Kraft tritt. Dies trifft besonders auf Italien und Spanien zu. Zumindest aus Italien kommen mittlerweile positive Signale für einen Beitritt. Ein sehr wichtiger, wenn nicht entscheidender Punkt für die Attraktivität des neuen Systems sind selbstverständlich die Kosten im Vergleich zum etablierten europäischen Bündelpatent. Hier sind zum einen die Übersetzungskosten und zum anderen die Jahresgebühren zu berücksichtigen. Gerade die Übersetzungskosten können beim europäischen Bündelpatent je nach Anzahl der ausgewählten Validierungsstaaten einen großen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen. Für das neue Gemeinschaftspatent muss innerhalb einer Übergangsfrist von sieben Jahren lediglich eine Übersetzung eingereicht werden.
Wann sich das Patent rechnet
Die Höhe der Jahresgebühren ist Ende Juni durch den zuständigen Ausschuss der EPO festgelegt worden. Demnach berechnet sich die Jahresgebühr für ein EU-Patent aus der Summe der Gebühren, die die Aufrechterhaltung eines Patents in den vier EU-Mitgliedstaaten mit der höchsten Anzahl an Validierungen europäischer Patente (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande), kosten würde. Dies entspricht als so genannte True-Top-4-Lösung der günstigsten der bisher diskutierten Varianten. Beispielsweise beträgt die Aufrechterhaltungsgebühr für das fünfte Jahr 315 Euro, für das zehnte Jahr 1 175 Euro, für das 15. Jahr 2 830 Euro und für das 20. Jahr 4 855 Euro. Diese Gebühren liegen deutlich unterhalb der Summe von 25 nationalen Jahresgebühren, die für die Aufrechterhaltung eines europäischen Bündelpatents in allen am neuen System teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten fällig würden.
Der Kostenvergleich zwischen dem neuen EU-Patent und dem herkömmlichen europäischen Bündelpatent hängt aber entscheidend davon ab, in welchen Staaten tatsächlich Patentschutz angestrebt wird, denn europäische Bündelpatente werden im Durchschnitt nur in vier bis fünf der Mitgliedstaaten validiert. Als Orientierung kann gelten, dass die Kosten für das neue EU-Patent bezüglich Übersetzungen und Jahresgebühren etwa dem eines in Deutschland, England, Frankreich und einem weiteren Land validierten Patents entsprechen werden. Sollte jedoch Schutz in fünf oder mehr der teilnehmenden EU-Staaten angestrebt werden, so dürfte sich das neue einheitliche EU-Patent im Regelfall als günstiger erweisen. Auch zu berücksichtigen ist, dass im Falle des EU-Patents der Verwaltungsaufwand zur Überwachung und Einzahlung der Jahresgebühren deutlich sinkt, da ja nur die Zahlung einer Gebühr überwacht werden muss.
Ein letzter wichtiger Punkt bei der Entscheidung für oder gegen ein EU-Gemeinschaftspatent ist, dass für das Gemeinschaftspatent ausschließlich das noch neu zu schaffende Einheitliche Patentgericht (EPG), und nicht mehr nationale Gerichte zuständig sein werden. Für die herkömmlichen EU-Bündelpatente trifft dies im Prinzip auch zu, jedoch kann sich während einer Übergangszeit von zumindest sieben Jahren der Patentinhaber frei entscheiden, ob das neue EPG oder nationale Gerichte zuständig sein sollen. Grundsätzlich spricht aber die Zuständigkeit des EPGs eher für das neue Gemeinschaftspatent, da zum einen durch verschiedene Maßnahmen eine hohe Qualität der Urteile sichergestellt werden wird, und zum anderen in einem einheitlichen Verfahren eine Entscheidung zur Gültigkeit des Patents und/oder zur Verletzung erreicht werden kann und damit zum Beispiel kostenintensive Gerichtsverfahren in mehreren europäischen Staaten vermieden werden können.
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