Wie Minderheitsgesellschafter ihre Rechte sichern
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Beschlüsse einer Personengesellschaft bedürfen, anders als bei einer Kapitalgesellschaft, regelmäßig der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag Ausnahmen vorsehen. Diese Möglichkeit wird in vielen Unternehmen genutzt, denn das Einstimmigkeitserfordernis kann bei größerem Gesellschafterkreis zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Die so gewonnene Flexibilität hat jedoch eine Kehrseite: Minderheitsgesellschafter können selbst bei Grundsatzentscheidungen überstimmt werden. Deshalb legen vor allem Investoren, die sich (zunächst) mit einem Splitteranteil an einer Gesellschaft beteiligen, großen Wert darauf, die möglichen Gegenstände von Mehrheitsentscheidungen vorab im Gesellschaftsvertrag zu definieren. Seit der Zeit des Reichsgerichtshofs gilt hier der höchstrichterliche Bestimmtheitsgrundsatz: Demnach können nur solche Gegenstände mit Mehrheit entschieden werden, die im Gesellschaftsvertrag präzise bezeichnet sind. Beschlussgegenstände, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder in Rechtspositionen der Gesellschafter eingreifen, die nicht entziehbar sind, bedürfen stets der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter.
Seit einiger Zeit deutete sich jedoch beim Bundesgerichtshof (BGH) eine Lockerung dieser Rechtsprechung an. Bereits 2007 hatte der BGH herausgearbeitet, dass eine Mehrheitsklausel die betroffenen Beschlussgegenstände keineswegs abschließend auflisten müsse. Vielmehr sei es durchaus zulässig, Mehrheitsklauseln auszulegen (BGH II ZR 245/05). So können auch Themen mit Mehrheit beschlossen werden, die bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrags nicht bedacht wurden. In späteren Entscheidungen stellte der BGH fest, dass Mehrheitsbeschlüsse nicht auf gewöhnliche Geschäfte beschränkt sind. Sie können auch Eingriffe in die persönliche Rechtsstellung von Gesellschaftern formal legitimieren. In seiner Entscheidung vom 21.10.2014 (BGH II ZR 84/13) hat der BGH den Bestimmtheitsgrundsatz nun endgültig aufgegeben. Das Gericht betonte, dass die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses in formaler und in materieller Hinsicht unabhängig voneinander zu beurteilen sei. Für die formale Legitimität eines Mehrheitsbeschlusses komme es lediglich darauf an, ob die Mehrheitsklausel – ggf. durch Auslegung – den betreffenden Beschlussgegenstand erfasse. Auf einer zweiten Stufe sei dann die materielle Wirksamkeit eines solchen Beschlusses für jeden betroffenen Gesellschafter zu prüfen. Greife der Mehrheitsbeschluss in unentziehbare Rechte ein, sei er zwar regelmäßig nach Treu und Glauben unwirksam. Er könne aber dann materiell wirksam sein, wenn der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar sei.
Damit distanziert sich der BGH zugleich von der so genannten Kernbereichslehre, deren wesentliches Manko es ist, dass der „Kernbereich““ der Gesellschaftsrechte abstrakt kaum definiert werden kann. Der Richtungswechsel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar im Sinne einer praxisgerechten Flexibilisierung der Unternehmensverfassung zu begrüßen. Eine Beurteilung der Reichweite von Mehrheitsklauseln ex ante wird aber nun erheblich erschwert. Dies kann für einen Minderheitsgesellschafter bereits im Investitionszeitpunkt eine kaum tragbare Unsicherheit hervorrufen.
Immerhin bleibt der BGH für den besonders bedeutsamen Fall, dass Verlustdeckungsbeiträge (Nachschüsse) eingefordert werden, seiner bisherigen Linie zu Gunsten von Minderheitsgesellschaftern treu. Ein Gesellschafter muss zusätzlichen Beitragspflichten weiterhin stets zustimmen. Die Zustimmung könne zwar grundsätzlich im Gesellschaftsvertrag erklärt und dort auch an eine spätere Mehrheitsentscheidung geknüpft werden. Eine solche Regelung müsse aber Ausmaß und Umfang der möglichen zusätzlichen Belastung, die mit Mehrheit beschlossen werden kann, klar erkennen lassen. Indifferente Klauseln genügen dieser Anforderung demnach nicht.
In allen übrigen Fällen kann nun aber nicht mehr ausgeschlossen werden, dass Mehrheitsklauseln zu Ungunsten eines Minderheitsgesellschafters ausgelegt werden. Deshalb sollte bereits bei der Formulierung des Gesellschaftsvertrags die künftige Auslegung einer Mehrheitsklausel vorgegeben werden. Beispielsweise kann positiv geregelt werden, welche Beschlüsse die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erfordern. Die geeignete Formulierung sollte jedoch im Einzelfall auf die Interessen aller beteiligten Gesellschafter abgestimmt werden.
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