Zertifikate bleiben auch in Zukunft konkurrenzlos
Als im September 2008 Lehman-Zertifikate über Nacht praktisch wertlos wurden, entfachte sich daran eine öffentliche Diskussion über Risiken und Sinn dieser Wertpapiere. Kritisiert wurden eine nicht ausreichende Transparenz und mangelhafte Kundenberatung, auch im Hinblick auf ein potenzielles Insolvenzrisiko des Emittenten. In den vergangenen Monaten hat sich der Markt jedoch wieder belebt – nicht zuletzt dank der Arbeit der Emittenten und Verbände, mit dem Ziel, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Ein Gastbeitrag von Walburga Kullmann (Partnerin) und Raphael Pasiek (Counsel) von der Sozietät Dewey & LeBoeuf in Frankfurt.
Als im September 2008 Lehman-Zertifikate über Nacht praktisch wertlos wurden, entfachte sich daran eine öffentliche Diskussion über Risiken und Sinn dieser Wertpapiere. Kritisiert wurden eine nicht ausreichende Transparenz und mangelhafte Kundenberatung, auch im Hinblick auf ein potenzielles Insolvenzrisiko des Emittenten. In den vergangenen Monaten hat sich der Markt jedoch wieder belebt – nicht zuletzt dank der Arbeit der Emittenten und Verbände, mit dem Ziel, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Ein Gastbeitrag von Walburga Kullmann (Partnerin) und Raphael Pasiek (Counsel) von der Sozietät Dewey & LeBoeuf in Frankfurt.
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Emittenten, die Zertifikate in Deutschland anbieten, haben nach dem Fall der Investmentbank Lehman Brothers über die Bankenverbände und den Deutschen Derivate Verband (DDV) eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Der DDV, der seit Februar 2008 besteht und sich für eine bessere Verständlichkeit und Transparenz von Zertifikaten einsetzt, erstellte noch 2008 gemeinsam mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz eine „Checkliste für Zertifikatsanleger“, die einen Überblick über die für den Kauf eines Zertifikats erforderlichen Informationen gibt. Daneben erläuterte der DDV in einer allgemeinverständlichen Broschüre die 50 wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge. Es wurde eine Klassifizierung entwickelt, welche die unterschiedlichen Produkte übersichtlich gliedert, ein Zertifikate-Rating eingeführt sowie ein Anforderungskatalog mit Qualitäts- und Ausbildungsstandards für Anlageberater erstellt. Im März 2010 einigten sich die Mitglieder des DDV auf eine einheitliche Terminologie der wichtigsten Fachbegriffe für Zertifikate, Optionsscheine und Aktienanleihen. Dies ist ein großer Erfolg mit Blick auf eine bessere Verständlichkeit und Vergleichbarkeit, denn bislang wurden die Begriffe von jedem Emittenten mit jeweils eigenen Begrifflichkeiten beschrieben. Schließlich arbeiten viele Emittenten kontinuierlich daran, die komplexen Produkte in ihren Prospekten klarer darzustellen.
Risiko Emittenteninsolvenz
Der Vorwurf, dass das potenzielle Insolvenzrisiko der Zertifikateemittenten nicht hinreichend hervorgehoben wurde, war jedoch größtenteils unberechtigt. Die meisten Emittenten hatten bereits vor dem Zusammenbruch von Lehman in ihre Wertpapierprospekte einen ausdrücklichen Hinweis auf das Emittentenrisiko eingefügt und auch auf das Risiko eines Totalverlustes hingewiesen. Die Praxis zeigt allerdings, dass Prospekte von Anlegern vor dem Erwerb von Wertpapieren meistens nicht vollständig gelesen werden. Dies mag daran liegen, dass die Prospekte auf Grund der EU-rechtlichen Vorgaben aus der Prospektrichtlinie und der Prospektverordnung sehr umfangreich sind, was insbesondere weniger versierte Anleger überfordern kann. Auch die vorgeschriebene Art der Informationsdarstellung erleichtert nicht gerade die Durchsicht eines Prospekts. Allein dass die Risikofaktoren am Anfang des Prospekts dargestellt werden müssen, ohne dass die Wertpapiere in angemessenem Umfang zuvor erläutert werden, erschwert das Lesen und Verstehen der Risiken von Zertifikaten.
Von Politikern sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene wird seit einiger Zeit die Erstellung eines so genannten Key Information Document (KID) oder Beipackzettels gefordert. Eine solche Kurzübersicht der wichtigsten Produkteigenschaften in einer für den Privatanleger verständlichen Form mag die Transparenz weiter steigern, sofern man sich auf einen sinnvollen Inhalt einigen kann. Ein One-size-fits-all-Ansatz, wonach man das für Investmentfonds entwickelte KID einfach Zertifikaten „überstülpt“, wird allerdings wenig erfolgversprechend sein. Vielmehr müssen die Unterschiede von Fonds und Zertifikaten berücksichtigt werden. Einige Verbände haben in den letzten Monaten Muster solcher Beipackzettel erstellt, die allerdings von einander abweichen. Sinnvoll wäre es, sich auf ein Muster zu einigen, das zugleich den Gesamtumfang der bereits existierenden Dokumente (Prospekte, Marketingbroschüren, Termsheets etc.) nicht noch weiter erhöht, sondern ein bisheriges Dokument ersetzt.
Abgesehen von dem Bemühen um mehr Transparenz zeigten sich die Emittenten auch in der Produktentwicklung innovativ, um Anlegerwünschen besser gerecht zu werden. Zum Schutz vor Insolvenz der Emittenten wurden besondere Sicherheitsstrukturen für Zertifikate entwickelt, die im Fall einer Insolvenz eingreifen. Die Absicherung erfolgt durch einen speziellen Sicherheitenpool aus Wertpapieren. Im Fall einer Insolvenz werden die Sicherheiten veräußert, und der Erlös wird verwendet, um die Forderungen der Zertifikatsinhaber zu erfüllen. Entsprechend den Anlegerwünschen wurden auch vermehrt kapitalgeschützte Zertifikate angeboten, bei denen der Rückzahlungsbetrag nie unter das eingezahlte Kapital fallen kann, sofern der Emittent nicht insolvent wird.
Fazit
Die in den vergangenen Monaten spürbare Belebung des Zertifikatemarktes hat gezeigt, dass Anleger wieder Vertrauen in die Zertifikate gefasst haben. Trotz aller Kritik bieten Zertifikate für viele Anleger die Chance, in Basiswerte zu investieren, in die sie nicht direkt oder nur unter erschwerten Bedingungen investieren können. Mit Zertifikaten können Anleger zudem Strukturen wählen, die auch im Rahmen eines seitwärts tendierenden oder sinkenden Marktes Erträge sichern können. So führt der Vorteil einer besseren Streuung des Vermögens-
portfolios dazu, dass in vielen Fällen das Anlageinstrument Zertifikat auch in Zukunft konkurrenzlos bleiben wird.
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