Helmut Kohl – Die Fehde mit dem „Spiegel“ geht weiter
"Das Hamburger Nachrichtenmagazin polarisiert. Die Wirkungen reichen bis ins Kanzleramt. Während Willy Brandt den stellvertretenden Chefredakteur Conrad Ahlers einst zum Regierungssprecher machte, gab Helmut Kohl keinem „Spiegel“-Mitarbeiter je ein offizielles Interview. Im Gegenteil: Ein von „Spiegel Online“ dieser Tage verbreiteter Zusammenschnitt von Begegnungen des Magazins mit Kohl enthält nur Beleidigungen, die der Kanzler leidgeprüften Spiegel-Redakteuren vor laufenden Kameras entgegenschmetterte.
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Das Hamburger Nachrichtenmagazin polarisiert. Die Wirkungen reichen bis ins Kanzleramt. Während Willy Brandt den stellvertretenden Chefredakteur Conrad Ahlers einst zum Regierungssprecher machte, gab Helmut Kohl keinem „Spiegel“-Mitarbeiter je ein offizielles Interview. Im Gegenteil: Ein von „Spiegel Online“ dieser Tage verbreiteter Zusammenschnitt von Begegnungen des Magazins mit Kohl enthält nur Beleidigungen, die der Kanzler leidgeprüften Spiegel-Redakteuren vor laufenden Kameras entgegenschmetterte.
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Kohls Fehde mit dem „Spiegel“ und umgekehrt hält sich bis heute. Rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse zitiert der „Spiegel“ unter der bewusst reißerisch gehaltenen Headline „Die Abrechnung“ genüsslich aus Gesprächen des Altkanzlers mit seinem einstigen Ghostwriter Heribert Schwan, mit dem er sich zwischenzeitlich überworfen hat. Parallel zu den Vorab-Veröffentlichungen des Spiegel erscheint im zum Bertelsmann gehörenden Heyne-Verlag der Band der Autoren Schwan und Tilman Jens (Sohn des Literatur-Professors Walter Jens) unter dem Titel „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ (256 S.; 19,99 Euro). Wirklich Neues ist weder dem Buch noch dem „Spiegel“ zu entnehmen. Dass Kohl seine Wegbegleiter von Norbert Blüm über Wolfgang Schäuble bis hin zu Angela Merkel mit teils deftigen Worten kritisierte, ist sein Stil. So loyal er Freunden und Gönnern wie etwa dem erst kürzlich verstorbenen Gründer des Finanzvertriebs DVAG, Reinfried Pohl, verbunden war, so nachtragend war Kohl gegenüber seinen Kritikern innerhalb und außerhalb der Politik. Wer der CDU gespendet hatte, konnte sich auf Kohls Ehrenwort verlassen. Im Zuge der über Jahre die Gazetten füllenden Affäre drangen keinerlei Namen oder sonstige Interna an die Öffentlichkeit. In Bezug auf seine Feinde hat Kohl bis heute ein Elefantengedächtnis. Die angeblich so neue „Spiegel“-Story über Kohl ist denn auch nicht viel mehr als eine nochmalige Abrechnung mit dem Kanzler. Der historischen Bedeutung des „Kanzlers der Einheit“ muss deshalb kein weiteres Kapital angefügt werden. Was bleibt, ist Kohls unvergleichlicher Machtinstinkt, der ihn mit 16 Jahren länger im Amt hielt als jeden Kanzler vor ihm. Das dabei Menschen auf der Strecke blieben, bekommt er bis heute zu spüren.
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