hauptversammlungen

HV-Saison – Viel Nostalgie im Spiel

Zu einem guten Teil ist die erste HV-Saison nach den neuen Regeln inzwischen gelaufen, und die Reaktionen fielen bisher recht vorhersehbar aus.

Die im vergangenen Sommer dauerhaft eingeführte Möglichkeit, HVs auch virtuell oder im Hybrid-Format abzuhalten, bringt besonders DSW, SdK und andere Aktionärsschützer zuverlässig und publikumswirksam auf die Palme – so sehr, dass manche Zuschauer schon meinen, hier sei wohl die Gelegenheit einfach zu schön, sich als einzig wahrer Interessenvertreter des braven deutschen Kleinaktionärs zu präsentieren. Währenddessen klopfen sich viele Unternehmen selbst auf die Schulter, weil alles so geschmeidig gelaufen ist, und loben die (allerdings wohl selten nennenswerte) Kostenersparnis.

Stumm blieben bisher dafür diejenigen, auf die es bei echten Richtungsentscheidungen ankommt. Von den großen internationalen Investoren von Blackrock bis QIA ist bisher weder Lob noch Protest für ganz oder halb virtuelle Formate zu hören. Sei es, weil sie ihre Interessen sowieso im direkten Dialog oder auf Kapitalmarkttagen vertreten und die HV für sie nur ein anachronistischer Pflichttermin ist; sei es, weil sie sich mit der digitalen Form und dem trockenen Austausch vorformulierter Statements wohler fühlen. Womit sich wieder einmal die Frage stellt, welche Relevanz einer HV überhaupt noch zukommt, von den aktienrechtlich vorgegebenen Abstimmungen einmal abgesehen.

Der vielbeschworene Stimmungstest im Aktionariat, die Gelegenheit zur Grundsatzdiskussion über die Konzernstrategie und andere klassische Vorteile der Präsenz-HV wurden bei vielen Konzernen bereits in den Vor-Corona-Jahren Stück für Stück abgeschliffen. Nicht nur, weil sich die Organe immer besser abzusichern wissen und dafür eine ganze Beraterindustrie um sich geschart haben. Sondern auch, weil die Aktionärsstruktur, die der Idee einer Live-HV als demokratischer Volksversammlung entspräche, bei den deutschen Konzernen kaum noch existiert.

Seit etlichen Jahren liegt über die Hälfte der Anteile bei ausländischen Investoren, nur rund ein Drittel in Deutschland. Wer den nun augenfälligen Machtverlust der kleineren Aktionäre beklagt, müsste darum eigentlich auch das grundsätzlichere Problem angehen: die noch immer allzu schwache Aktienkultur hierzulande. np

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse