Umsetzung von CSRD und ESRS

Nachhaltigkeitsberichtspflichten – Viel zu tun

Für Vorstände und Aufsichtsräte brechen mit Umsetzung der Ende 2022 verabschiedeten europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) nicht komplett neue Zeiten an. Die Daten zu Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, die Unternehmen erheben müssen, werden aber sehr viel detaillierter werden. Das dürfte sich nicht zuletzt auf die Vorstandsvergütung auswirken.

Zunächst bedeuten die neuen Vorgaben eine Umstellung, die die meisten Betroffenen an den Vorlauf des neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) erinnern dürfte. „Mit dem Übergang zur CSRD müssen die Organe nun funktionierende Prozesse für eine Berichterstattung gewährleisten, ohne dass feststeht, was genau berichtet werden muss“, sagt Hans Diekmann, Gesellschaftsrechtler bei Allen & Overy. Im laufenden Jahr sollen unter dem Kürzel ESRS genauer aufgeschlüsselte Berichtsstandards nachgeschoben werden, aber für den Moment steht noch nichts Genaues fest. Andreas Merkner und Alexander Retsch von Glade Michel Wirtz sprechen von einem „iterativen Prozess“, an dessen Ende aber deutlich verschärfte Anforderungen stehen werden, „mit entsprechenden Haftungsrisiken für die Unternehmen“, wie Retsch unterstreicht. 

Ganzheitliche Perspektive

Rund 1.000 zu berichtende Datenpunkte in maschinenlesbarer Form dürfte die CSRD- und ESRS-Umsetzung in der Praxis umfassen, schätzen Wirtschaftsprüfer. Die Perspektive wird ganzheitlicher, denn relevant sind künftig sowohl die Auswirkungen externer ESG-Gesichtspunkte auf ein Unternehmen als auch umgekehrt die Effekte des Geschäfts auf die Umwelt. Noch dazu umfassen die neuen Berichtspflichten auch Zielvorgaben und Prozessfortschritte. 

Im Vergleich am leichtesten dürfte sich mit derartigen Anforderungen noch die Finanzbranche tun, meint Christian Eichner, Corporate-Partner bei Allen & Overy, schließlich gälten dort schon länger detailliertere Vorgaben für ESG-Berichterstattung und Offenlegung. Andere Wirtschaftszweige, so Eichner, erreichte eine vergleichbare Regulierung erst später, „mit entsprechenden Herausforderungen, etwa bei der Kombination qualitativer und quantitativer ESG-Elemente für die Bemessung der erfolgsabhängigen Vorstandsvergütung“.

Anforderungen an Aufseher steigen

Gerade in diesem Punkt wird die neue Datenflut wohl für Diskussionsstoff sorgen, denn was bisher vor allem für die Vorstände von Banken und Finanzdienstleistern galt, betrifft bald die meisten Firmenlenker. Merkner und Retsch gehen davon aus, dass die Diskussion um ESG-Erfolgskomponenten in der Vorstandsvergütung die Hauptversammlungssaison 2023 prägen wird.

Für Aufsichtsräte, die ihrerseits Nachhaltigkeitsexpertise aufbauen müssen, tut sich damit eine weitere Baustelle auf. „Einige Aufsichtsräte haben schon ESG-Ausschüsse eingerichtet, zur Bündelung von Wissen ebenso wie zur eigenen Absicherung“, beobachtet Merkner. Die Neubesetzung von Aufsichtsratsposten wird durch die neuen Anforderungen nicht einfacher. Die „Lex Wirecard“ (FISG) verlangt bereits zwei Finanzexperten im Aufsichtsrat, die sich am besten auch mit ESG-Themen auskennen sollen. Mit der CSRD werden belegbare Nachhaltigkeitsexpertise in Vorstand und Aufsichtsrat gefordert, außerdem eine Nachhaltigkeitsstrategie. 

Daniela Favoccia, Gesellschaftsrechtspartnerin bei Hengeler Mueller und Corporate Governance-Expertin, sieht die Entwicklung zwar positiv, warnt aber davor, jedes kleine Detail genau regeln zu wollen. Im Aktienrecht, so ihr Beispiel, sei zwar eine Sorgfaltspflicht vorgegeben, aber keine konkrete Handlung zu deren Erfüllung. Die Transformation hin zu nachhaltigerem Wirtschaften habe das nicht aufgehalten, im Gegenteil. „In den vergangenen zehn bis zwölf Jahren hat sich die Auffassung davon, wie ein Vorstand im Sinne des Unternehmens zu handeln hat, stark gewandelt, weg vom reinen Shareholder Value, hin zum breiteren Stakeholder Value – ohne dass sich die gesetzliche Regelung zur Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder insoweit im geringsten verändert hätte“, meint Favoccia. Hilfestellung der Regulatoren sei so oder so wichtig, ebenso ausreichende Übergangsfristen.

Keine Angst vor Aktivisten

Dass mit den umfangreicheren Berichtspflichten auch immer mehr Munition für rendite- oder ideologiegetriebene Aktivisten bereitliegt, ist eine Nebenwirkung, mit der sich die Unternehmenslenker wohl oder übel arrangieren sollten. „Mit aktivistischen Aktionären muss ein Unternehmen leben. Die wird es immer geben, und sie werden immer Wege finden, um ihre Anliegen voranzutreiben“, meint Allen & Overy-Partner Diekmann. Kritischer sei es, wenn ein Großaktionär, etwa ein Pensionsfonds oder Asset Manager, Mängel in der ESG-Berichterstattung moniere. Was für Compliance generell gilt, gilt eben auch für ESG-Transparenz: Wem es mit nicht gefällt, der soll ruhig schauen, wie weit er ohne kommt. np

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