Asset Management

„Opportunismus ist die Kerneigenschaft der Branche“

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Die deutsche Öffentlichkeit und Private Equity (PE) waren lange Zeit eher Gegenspieler als Freunde. 2013 hat spätestens der Verkauf von Grohe – einst gehandelt als Paradebeispiel für die Gefahr, die von PE-Investoren ausgeht – zu einer neuen Wahrnehmung geführt. PLATOW Recht hat mit Oliver Felsenstein, Partner und Global Head of Private Equity bei Clifford Chance, über aktuelle Herausforderungen, attraktive Branchen, die Rolle von Mittelstand und Schwellenländern sowie über Zukunftsentwicklungen des Marktes gesprochen.

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Herr Felsenstein, hat PE noch ein Imageproblem?

Das Vorurteil, dass PE dadurch funktioniert, dass man an der Stellschraube Arbeitnehmer oder Kosten dreht, ist schon länger widerlegt. Tatsächlich ist es so, dass Unternehmen, die von PE-Unternehmen geführt werden, vergleichsweise wenig Arbeitsplätze abbauen und sogar stärker wachsen. Zudem haben Fonds gelernt, offener zu kommunizieren. Das zeigt sich beispielsweise, wenn Arbeitnehmervertreter an Verkaufsgesprächen teilnehmen. Der Betriebsrat hat zwar kein Mitspracherecht, muss aber überzeugt werden. PE-Unternehmen müssen nachweisen können, dass sie in der Vergangenheit vernünftig mit den Arbeitnehmern umgegangen sind und dafür Referenzen haben.

Wo sind die größten Herausforderungen der Fonds?

Die Hauptschwierigkeit besteht darin, attraktive Unternehmen zu finden, die zu kaufen sind. Insgesamt sind die M&A-Märkte nicht mehr so aktiv wie vor der Lehman-Pleite. Das führt dazu, dass jeder händeringend nach Investitionsmöglichkeiten sucht. Wenn Unternehmen verkauft werden, sind sie entweder sehr attraktiv und sehr teuer oder sie sind nicht attraktiv und dann bietet oft keiner, weil das Vorsichtsprinzip größer geworden ist. Vor 2007 ist man alles losgeworden, heute wird die Hälfte der angefangenen Verkaufsprozesse nicht zu Ende geführt.

Welche Branchen sind derzeit überhaupt attraktiv?

Zwar nennen alle PE-Fonds ihren Branchenfokus, aber es gibt kaum jemanden, der nicht bereit wäre, den Fokus zu ändern. Opportunismus ist die Kerneigenschaft der Branche. Eine zu starke Spezialisierung wäre auch gefährlich: Die Fonds sind dazu da, Geld zu verdienen. Wenn eine Branche nicht läuft, werden die Anleger nervös. Es gibt immer wieder Branchen, die en vogue sind. Automobilzulieferer und Health-Care waren lange gefragt. Derzeit ist Retail sehr interessant und alle Branchen, die nicht so zyklisch sind, wie Maschinenbau. Was auch immer spannend ist, sind alle Industrien, die reguliert sind, beispielsweise Energie. Dort sind die PE-Firmen in der Lage, Mehrwert zu generieren, während andere sagen, das ist ihnen zu kompliziert. Ein guter Fonds-Manager zeichnet sich dadurch aus, sich möglichst schnell Industrieexpertise anzueignen. Die Kunst ist, zu wissen, was in Zukunft verkauft wird, damit ich in dem Moment bereit bin, in dem etwas auf den Markt kommt.

Hat sich PE für den Mittelstand bewährt?

Als die PE-Industrie Deutschland Ende der 80er-Jahre entdeckte, dachte man, die vielen tollen Mittelständler, die zur Hälfte keine Nachfolgegeneration haben, werden alle an PE verkauft. Das hat nicht funktioniert und tut es bis heute nicht. Es ist nach wie vor eine Mentalitätsfrage, da gerade Familienunternehmer ungern den Kapitalgeber mitbestimmen lassen. Beispiele wie Grohe zeigen, dass es das Geschäftsmodell Mittelstand gerade bei größeren Unternehmen gibt, aber bei der breiten Mehrheit wird es die Ausnahme bleiben.

Welche Perspektiven bringen Schwellenländer?

Schwellenländer sind dann interessant, wenn sie eine gefestigte Infrastruktur aufweisen. Dem Investor müssen Möglichkeiten zur Finanzierung und zum Wiederverkauf gegeben sein. Aber jedes Haus schaut in Schwellenländer und insbesondere nach Asien. Viele legen dafür eigene Fonds mit speziellen an den Markt angepassten Kriterien auf. Osteuropa und dort speziell Polen ist ebenfalls spannend. Bei Russland hat man gedacht, es sei das Land zum Investieren. Das hat sich bisher nicht realisiert, weil die politische Lage keine Sicherheit verspricht, um nach ein paar Jahren einen guten Exit machen zu können. In Afrika wird jetzt schon in kleinere Deals bis 100 Mio. Euro investiert, genauso spannend ist Südamerika mit Brasilien. Ich glaube aber nicht, dass in den nächsten zehn Jahren die ganze PE-Branche ihren Fokus von Amerika und Europa wegnimmt und sich auf Asien und Afrika konzentriert. Das sieht man alleine daran, dass Amerika als Heimatland von PE nach wie vor der größte Markt ist. Auch als der europäische Markt entdeckt wurde, wurde der amerikanische nicht kleiner. So kommen auch jetzt neue Märkte hinzu, ohne bestehende zu schwächen.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung?

Viele meinen bereits, dass der Markt wieder da ist, wo er vor der Lehman-Pleite stand. Fakt ist aber: Wenn M&A insgesamt nicht stark ist, kann auch PE nicht so stark wachsen. Lehman hat jedoch in der Rückschau gezeigt, dass PE nicht untergehen kann. Eine schlimmere Krise als wir sie erlebt haben, kann es nicht geben. Die Zeit danach hat zu einer Konsolidierung  des Marktes geführt. Nach Lehman hat man PE komplett in Frage gestellt. Das war ein Trugschluss. Der Anteil der M&A mit PE-Finanzierung war seit dem Jahr 2006 noch nie so hoch, wie in diesem Jahr. Ich weiß nicht, ob in den kommenden fünf Jahren in Europa die ganz großen Deals anstehen. Aber insbesondere Deutschland ist ein toller Markt, weil hier die Voraussetzungen – vor allem unter Sicherheitsaspekten – sehr gut sind.

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