Asset Management

Realwirtschaft im Fokus der Finanzmarktregulierung

Industrie-, Energie- und Handelsunternehmen werden in den letzten Jahren zunehmend von Vorschriften der Finanzmarktregulierung erfasst. Andreas Wieland, Experte für Bank- und Finanzaufsichtsrecht bei der internationalen Anwaltssozietät Shearman & Sterling, erläutert das Phänomen und die damit verbundenen Probleme.

10. Juli 2012

Industrie- und Handelsunternehmen, die ihren eigentlichen Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des Finanzsektors haben, sind in den letzten Jahren verstärkt in Bereichen tätig geworden, die der Finanzaufsicht nach dem Kreditwesengesetz unterliegen. So hat mittlerweile ein Großteil der Automobil-, Energie- und Handelskonzerne Tochterunternehmen gegründet, die unter das Kreditwesengesetz fallen, insbesondere in den Bereichen Finanzierung und Leasing zum Zweck der Absatzförderung sowie zum Hedging von Rohstoff- und Energiepreisrisiken.

Neben dem bewussten Vorstoß von Unternehmen der „Realwirtschaft“ in klassische Bereiche der Finanzindustrie ist hierfür auch der Umstand verantwortlich, dass der Umfang der einer Regulierung unterworfenen Tätigkeiten und die Regulierungsdichte in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben. Zumeist ist dies unter den Schlagworten der Bekämpfung des „grauen Finanzmarktes“ und von „Schattenbanken“ erfolgt. Was vor allem als Initiative zur besseren Kontrolle und Bekämpfung von Exzessen der Finanzindustrie gedacht war, hat dazu geführt, dass auch Unternehmensgruppen der Realwirtschaft zunehmend gezwungen sind, regulierte Tochtergesellschaften zu gründen. Die wichtigsten sich daraus ergebenden praktischen Problemfelder für Industrie-, Energie- und Handelsunternehmen sind die Frage der Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz, die finanzaufsichtsrechtliche Inhaberkontrolle beim Erwerb bedeutender Beteiligungen sowie Besonderheiten bei der Corporate Governance regulierter Tochterunternehmen.

Weitreichende Erlaubnispflichten

Bei der Frage der Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz können sich Unternehmen der Realwirtschaft in vielen Fällen auf gesetzliche Ausnahmen stützen. Von besonderer Bedeutung ist das so genannte Konzernprivileg, wonach ein Großteil gruppeninterner Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen von der Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz ausgenommen ist. Bedeutung hat das Konzernprivileg z. B. bei der Gewährung von Darlehen und der Entgegennahme von Einlagen innerhalb eines konzernweiten Cash-Pools und bei Garantien zugunsten von Tochtergesellschaften oder der Vergabe von Darlehen an diese. Die Reichweite des Konzernprivilegs ist allerdings begrenzt: So sind etwa Gesellschafterdarlehen oder Garantieversprechen zugunsten von Joint-Venture-Gesellschaften oder Minderheitsbeteiligungen grundsätzlich nicht vom Konzernprivileg gedeckt. Auch bei der Kreditvergabe an Zulieferer und Kunden – eine Maßnahme, zu der sich Unternehmen der Realwirtschaft gerade in Zeiten zunehmender Zurückhaltung von Banken bei der Kreditvergabe zur Sicherung der Zulieferkette oder des Absatzes gezwungen sehen – ist die Schwelle zur Erlaubnispflicht schnell überschritten.

Inhaberkontrolle durch die BaFin

Der beabsichtigte Erwerb an einem beaufsichtigten Unternehmen löst finanzaufsichtsrechtliche Inhaberkontrollverfahren aus. Dies gilt auch für indirekte Erwerbsvorhaben. Daher kann bereits der beabsichtigte Erwerb einer Beteiligung von 10% oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte an einer klassischen Industrieholding aufsichtsrechtliche Anzeigepflichten bei der BaFin, der Deutschen Bundesbank und ausländischen Finanzbehörden auslösen, sofern die Zielgesellschaft eine oder mehrere regulierte Tochtergesellschaften hat. Die zu erstattende Anzeige ist mit umfassenden Informations- und Vorlagepflichten verbunden, kann den Vollzug des Erwerbs erheblich verzögern und im schlimmsten Fall die Untersagung des Erwerbs nach sich ziehen, etwa wenn die Aufsichtsbehörde Bedenken gegen die Zuverlässigkeit oder die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erwerbsinteressenten hat. Gerade Private Equity und Sovereign Wealth Fonds scheuen nicht selten die mit der Anzeige verbundenen Offenlegungspflichten, was die Suche nach Eigenkapitalgebern und Ankeraktionären für Unternehmen der Realwirtschaft erheblich erschweren kann.

Besonderheiten bei der Corporate Governance

Im Hinblick auf die Corporate Governance regulierter Gruppengesellschaften müssen zusätzliche aufsichtsrechtliche Anforderungen berücksichtigt werden. Beispielsweise müssen Aufsichtsratsmitglieder regulierter Unternehmen „zuverlässig“ im aufsichtsrechtlichen Sinne sein und über einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.

Fazit und Ausblick

Die Bedeutung des Kreditwesengesetzes für Unternehmen außerhalb des eigentlichen Finanzsektors wird weiter zunehmen. Neue gesetzgeberische Entwicklungen befördern den Zwang zur Gründung regulierter Tochtergesellschaften. So ist zu erwarten, dass im Zuge der Neufassung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) wichtige Ausnahmen von der Erlaubnispflicht beim Einsatz von Energie- und Rohstoffderivaten wegfallen werden und viele Industriegruppen entweder regulierte Tochterunternehmen gründen oder entsprechende Geschäfte einstellen müssen. Rechts- und Compliance-Abteilungen von Industrie-, Energie- und Handelsunternehmen sollten sich daher frühzeitig mit dem einschlägigen Rechtsrahmen vertraut machen.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse