Sind Konzerne „Stimmrechtsberatern“ ausgeliefert?
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Unternehmen bedienen sich der professionellen Stimmensammler, wenn es um kritische Hauptversammlungen geht, bei denen jede Stimme zählt. Bestes Beispiel hierfür ist der SDAX-Konzern CeWe Color. US-amerikanische Hedgefonds hatten eine deutliche Beteiligung am Fotodienstleister aufgebaut, wollten Vorstand und Aufsichtsrat absetzen sowie eine Sonderausschüttung erzwingen. Extremes „Proxyfighting“ unter Einschaltung eines Dienstleisters führte schließlich zu einer Präsenz von 87% auf der HV – gegenüber 37% im Vorjahr. Die CeWe-Verteidiger konnten die entscheidende Abstimmung mit 58% gewinnen, der Investor zog sich zurück. Institutionelle Anleger vertrauen auf die Expertise von Stimmrechtsberatern, denn eine akribische eigene Beschäftigung mit den anstehenden Entscheidungsvorlagen ist kaum zu leisten. Was aber, wenn die Ratschläge nicht fruchten, wenn etwa empfohlen wird, gegen einen Beschluss der Tagesordnung zu stimmen, dieser aber im Interesse der Gesellschaft und des Investors ist? Dann stellt sich die Frage, ob Berater durch die Aktiengesellschaft zur Verantwortung gezogen werden können.
Mögliche Anspruchsgrundlagen
Infrage kommen Ansprüche aus einer Art mitgliedschaftlicher Treuepflicht, aber auch gesetzliche oder vertragliche Ansprüche. Der BGH (Az.: II ZR 205/94) hat bereits zu Stimmrechtsvertretern entschieden, dass diese keiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht gegenüber den von ihnen vertretenen Aktionären unterliegen. Diese Rechtsprechung ist zwar umstritten, aber wenn schon der Vertreter nicht haftet, kann in entsprechender Anwendung dies für einen bloßen Stimmrechtsberater nicht anders sein. Direkte vertragliche Beziehungen bestehen zwischen der Gesellschaft und den Beratern ihrer Aktionäre ebenfalls nicht. Denkbar ist ein Anspruch, sofern zwischen den institutionellen Anlegern und deren Beratern ein Vertrag besteht und dieser zugunsten der Gesellschaft abgeschlossen wurde oder die Gesellschaft in dessen Schutzbereich einbezogen ist. Als problematisch erweist sich in diesen Fällen allerdings zumeist die Anwendbarkeit des deutschen Rechts. Wurde dessen Geltung im Vertrag explizit ausgeschlossen oder sitzt der Berater im Ausland, wird es schwer, weil zunächst erst einmal geprüft werden muss, ob die jeweils geltende Rechtsordnung überhaupt einen Anspruch hergibt.
Sind Empfehlungen justiziabel?
Hinzu kommt die grundlegende Problematik, ob die reine Empfehlung oder gar bloße Veröffentlichung eigenen Stimmrechtsverhaltens, wie etwa der Aktionärsvereinigung Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS) auf deren Website, ausreicht, um zu bejahen, das ein Vertrag vorliegt. Dies ist immer anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen, bei dem unter anderem auch der eigene wirtschaftliche Vorteil des Beraters zu beleuchten ist. Liegen die Voraussetzungen vor, steht die nächste Hürde an, nämlich der Nachweis, ob überhaupt eine Pflichtverletzung vorliegt, wie auch bei einer Haftung auf deliktischer Ebene etwa aus § 823 I BGB. Diese kommt grundsätzlich in Betracht, da auch juristischen Personen ein allgemeines Persönlichkeitsrecht zugemessen wird und der Betriebsinhaber, hier die Gesellschaft, auf Grund des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schutz vor Beeinträchtigungen genießt. Empfiehlt der Stimmrechtsberater die Ablehnung eines zur Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunktes entgegen seiner eigenen Stimmrechtsrichtlinien, wird die Pflichtverletzung anzunehmen sein. Wenn diese dem Berater allerdings einen Ermessensspielraum zubilligen, sieht die Sache schon anders aus.
Komplizierte Schadensbemessung
Doch selbst wenn die Anspruchsgrundlage bejaht, also ein rechtswidriges Handeln des Beraters angenommen wird, bleibt die Frage, worin der Schaden liegt bzw. wie dieser bemessen werden kann. Geht es darum, dass durch die Empfehlung bzw. darauf basierende unwahre Tatsachenbehauptungen, die Reputation des Unternehmens leidet, besteht ein Berichtigungsanspruch gegenüber dem Berater. Manifestiert sich durch die Ablehnung des HV-Beschlusses in der Folge ein Vermögensschaden, besteht gegebenenfalls ein Ersatzanspruch. Wird beispielsweise ein Beschluss zu einer Kapitalerhöhung aus sachwidrigen Gründen vom Stimmrechtsberater blockiert, kann die Gesellschaft unter Umständen in wirtschaftliche Schieflage geraten mit dramatischen Folgen für alle Beteilig-ten. Die Ablehnung ist damit verantwortlich für einen in der Folge eintretenden Schaden. Insgesamt zeigt sich, dass eine Fülle möglicher Ersatzansprüche denkbar sind, die im Einzelfall durchgefochten werden können. Schutzlos ausgeliefert sind die Unternehmen den immer einflussreicheren Stimmrechtsberatern jedenfalls nicht.
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