„Verantwortung und Handlungsfähigkeit in Balance“
Deutsche Unternehmen stehen vor einer enormen Finanzierungsaufgabe, weil der Aufschwung und die Ablösung bestehender Finanzierungen nach frischen Mitteln verlangen. Hierbei ist verantwortungsvolles Eigenkapital gefragt. Ein Gastbeitrag von Jan Wildberger, Partner der internationalen Sozietät Simmons & Simmons.
Deutsche Unternehmen stehen vor einer enormen Finanzierungsaufgabe, weil der Aufschwung und die Ablösung bestehender Finanzierungen nach frischen Mitteln verlangen. Hierbei ist verantwortungsvolles Eigenkapital gefragt. Ein Gastbeitrag von Jan Wildberger, Partner der internationalen Sozietät Simmons & Simmons.
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Die deutsche Wirtschaft ist mit der Krise besser als vielerorts befürchtet zurechtgekommen. Die große Welle der Insolvenzen und der Restrukturierungen ist bislang ausgeblieben. Betroffen sind in erster Linie einzelne Branchen, in denen die Umsatzeinbrüche besonders stark waren, sowie Unternehmen, deren ohnehin vorhandene erhebliche finanzielle, operative oder strategische Schwächen durch die Krise aufgedeckt und nicht ausgelöst worden sind.
Auf Umsatzrückgänge wurde rechtzeitig mit Einsparungen und Kapazitätskorrekturen reagiert. Deutsche Besonderheiten wie die Kurzarbeit erleichterten die Anpassung an die neuen Gegebenheiten. Bedingt durch die gesunkenen Umsätze, die auf niedrigem Stand verharrten, wurde das Umlaufvermögen „heruntergefahren“ und auf niedrigem Stand „eingefroren“. Investitionen in das Anlagevermögen und strategische Expansionen, auch durch Zukäufe anderer Unternehmen, wurden auf ein Mindestmaß reduziert oder vollständig verschoben. Kurz: Viele Unternehmen befinden sich im „Überlebensmodus“. Dort können sie verbleiben, solange es keinen Anlass gibt, der nach erheblichen Veränderungen, insbesondere der Zuführung frischer Mittel verlangt. Solche Anlässe sind bereits erkennbar: Es sind insbesondere der wirtschaftliche Aufschwung und die umfangreiche Ablösung bestehender Finanzierungen. Dann heißt es: restrukturieren oder liquidieren.
Aufschwung erfordert finanzielle Mittel
Der Aufschwung hat die Realwirtschaft erfasst. Demgegenüber steht weiterhin eine tiefe Krise des Finanzsektors, und die Krise einzelner Mitgliedstaaten der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die zu einer Krise der Union selbst geworden ist. Sobald der Aufschwung jedoch Fahrt aufnimmt, kann das Hochfahren der Unternehmen nicht mehr allein aus eigenen Mitteln erfolgen. Dann ist Finanzierung von außen erforderlich, soll das Unternehmen nicht illiquide oder vom Wettbewerb marginalisiert werden.
Weiterer Anlass für das Verlassen des „Überlebensmodus“ wird die Ablösung von so genanntem Programm-Mezzanine und von Akquisitionsfinanzierungen sein. Der deutsche Mittelstand hat in den letzten Jahren umfangreich auf verbriefte Mezzanine-Finanzierungen zurückgegriffen. Diese sehr attraktiven Programme laufen aus und werden nicht durch neue ersetzt. Akquisitionsfinanzierungen werden von strategischen Investoren und Finanzinvestoren beim Unternehmenserwerb eingesetzt und teilweise durch das erworbene Unternehmen bedient. Die in den Boomjahren aufgesetzten Akquisitionsfinanzierungen übersteigen nun die Leistungskraft der erworbenen Unternehmen und werden deswegen nicht planmäßig zurückgeführt. Zudem ist beim Verkauf der Unternehmen mit geringeren Erlösen zu rechnen, die zur Rückzahlung der Finanzierung herangezogen werden können. Diese Finanzierungen werden ab 2012 fällig.
Unternehmer als „Herr im Haus“
Wer aber deckt den Finanzierungsbedarf der deutschen Unternehmen? Fremdkapital steht oft nicht zur Verfügung und ist auch bilanziell regelmäßig keine Option. Mezzanine-Kapital ist nicht mehr so billig zu bekommen und wird nicht ausreichen, den gewaltigen Finanzierungsbedarf zu decken. Eigenkapital ist zunehmend gefragt. Allerdings sind die deutschen Unternehmer nicht dafür bekannt, gerne unternehmerischen Einfluss abzugeben. Daran scheitert in der Regel die Mehrheitsbeteiligung durch einen Eigenkapitalgeber, etwa durch ein Private Equity-Haus. Der Unternehmer empfindet diese als Übernahme und nicht als Finanzierung und versucht sie zu vermeiden.
Anders bei einer Minderheitsbeteiligung: Hier kann sich der Unternehmer weiter als Herr im Haus fühlen. Der erhöhten Nachfrage nach Minderheitsbeteiligungen steht ein wachsendes Angebot gegenüber. War die Minderheitsbeteiligung in Deutschland die ursprünglich gängige Beteiligungsform, fristete sie danach über Jahre ein Schattendasein, insbesondere wegen der mangelnden Steuerungsmöglichkeit aus der Investorensicht und nicht zuletzt auf Grund des Programm-Mezzanine, das einen billigen Eigenkapitalersatz darstellte. Dies ist nun vorbei: Kommerzielle und staatliche Anbieter haben die Minderheitsbeteiligung wiederentdeckt. Es wird von der „Renaissance der Minderheitsbeteiligung“ gesprochen.
Messbare Qualität der Beteiligung
Eigenkapitalgeber stehen bei einer Minderheitsbeteiligung vor einem Dilemma: Sie sollen finanzieren, aber nicht (mit)regieren. Dabei liegt das Unternehmerische im Wesen des Eigenkapitals. Denn was ist verantwortungsvolles Eigenkapital? Es ist Eigenkapital, das zu seiner Verantwortung für das Unternehmen steht. Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten müssen sich aber die Waage halten. Daher braucht der Eigenkapitalgeber unternehmerischen Einfluss. Die moderne, strukturierte Minderheitsbeteiligung muss dem Rechnung tragen. Sie vermittelt dem Geldgeber mehr Einfluss, je schlechter das vom Unternehmer erzielte Ergebnis ist. Dies ist messbar zu gestalten, etwa durch ein auf Finanzkennzahlen gestütztes Frühwarnsystem, das aus der Akquisitionsfinanzierung bekannt ist. Daran wird die Qualität der Minderheitsbeteiligung, auch die der staatlichen Anbieter, zu messen sein.
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