Andrea Orcel – UniCredit-Chef wird vom Saulus zum Paulus
Besser als erwartet hat UniCredit das dritte Quartal abgeschlossen. Rückenwind kam vor allem von einer geringeren Kreditrisikovorsorge, die im Vorjahr noch kräftig aufgestockt worden war, aber auch aus dem Heimatmarkt. Unter dem Strich kam so ein Gewinn von gut 1 Mrd. Euro zusammen (Erträge: 4,4 Mrd. Euro). Ein guter Start für Andrea Orcel, der im Frühjahr für den im Streit mit Aufsichtsrat und Politik ausgeschiedenen CEO Jean Pierre Mustier das Steuer beim UniCredit übernommen hatte. Für die nach der UBI-Übernahme durch Intesa Sanpaolo im vergangenen Jahr inzwischen nur noch zweitgrößte italienische Bank erhöhte Orcel jetzt erst einmal die Gewinnprognose für 2021 von über 3 Mrd. auf mehr als 3,7 Mrd. Euro (Ertragsziel: 17,5 Mrd. Euro).
Nach der am Sonntag geplatzten Übernahme von Monte dei Paschi di Siena (MPS) vom italienischen Staat, der seit einer 5,4 Mrd. Euro-Kapitalspritze 64% an der angeschlagenen ältesten Bank der Welt hält, nutzte Orcel die Q3-Präsentation auch gleich dazu, mit einem Vorurteil aufzuräumen. Viele Beobachter und auch die Regierung in Rom, die jetzt bis Jahresende einen Plan B für MPS (wahrscheinlich Stand-alone) nach Brüssel melden und die Bank bis Mitte 2022 wieder privatisieren muss, hatten mit Blick auf Orcels Werdegang eine Flut von M&A-Aktivitäten erwartet bzw. erhofft. Das Gegenteil scheint (zunächst) der Fall. Der ehemalige Investmentbank-Chef der UBS schließt Übernahmen zwar nicht grundsätzlich aus. Der Fokus des UniCredit, dem Interesse nicht nur an der Commerzbank oder Generali nachgesagt wurde, liege aber auf einer Stand-alone-Lösung, so Orcel. Am 9.12. will er einen 3 Jahres-Plan vorstellen, dessen wichtigste Bestandteile neben Kostensenkungen und Digital-Investitionen die Rückeroberung von verlorenem Terrain sein soll.
Die Zeit der Verkäufe unter Mustier (u.a. Fondstochter Pioneer an Crédit Agricole) ist damit Vergangenheit. Der Franzose hatte sogar das Auslandsgeschäft inkl. Hypovereinsbank abspalten und ins Schaufenster stellen wollen. Das wird mit Orcel kaum zu machen sein. Der ehemalige Merill Lynch-Mann war als Berater der eigentliche Architekt des unter Alessandro Profumo aus Zusammenschlüssen italienischer Sparkassen und Zukäufen in Osteuropa geschmiedeten UniCredit. So ist Orcel, der nach seinem UBS-Abgang fast Chef von Santander geworden wäre (Rechtsstreit über 76 Mio. Euro Antrittsprämie ist noch anhängig), an seine ursprüngliche Wirkungsstätte zurückgekehrt. Ob der überzeugte Investmentbanker jetzt ausgerechnet auch sein Naturell geändert hat und den UniCredit allein durch organisches Wachstum wieder an die Spitze führen will, wird sich zeigen.